Interview: „Es wird Entlassungen geben“

IHK-Hauptgeschäftsführer Udo Siepmann glaubt, dass die Düsseldorfer Wirtschaft sich 2010 noch nicht ganz erholt hat.

Düsseldorf. Der Ton macht die Musik. Und die Tonlage ist zurzeit unterschiedlich, wenn über die wirtschaftliche Entwicklung berichtet wird: Es kommt darauf an, ob die Pressekonferenzen in Berlin beim Deutschen Industrie- und Handelskammertag (DIHK) oder bei den rheinischen Kammern in Düsseldorf abgehalten werden.

So sind aus der deutschen Hauptstadt freudvolle Töne zu hören, ein Plus von zwei Prozent beim Bruttoinlandsprodukt und eine schnellere Überwindung der Krise werden prognostiziert.

In Düsseldorf hingegen hieß es vor einer Woche, man habe die Talsohle erreicht und bewege sich nunmehr vom Keller in Richtung Erdgeschoss. Es dauere Jahre, bis das alte Niveau wieder erreicht sei. Wir sprachen über den unterschiedlichen Tenor mit Udo Siepmann, dem Hauptgeschäftsführer der Düsseldorfer IHK.

Siepmann: Es gibt in der Konjunktureinschätzung immer regionale Unterschiede. Die zeigen sich jetzt auch hier. Wesentlicher Unterschied: Die Unternehmen im Rheinland schätzen ihre Lage schlechter ein als der Bundesdurchschnitt. Wir können auch nicht feststellen, was der DIHK für den Bund sagt, nämlich dass die Lage schon einmal schlechter war. Das müssen wir deutlich sagen: Die Lage in unserer Wirtschaft ist immer noch so schlecht, wie sie noch nie war.

Siepmann. Das stimmt, und zwar mit Blick auf die Erwartungen. Alle rechnen mit Verbesserungen. Ich bleibe jedoch bei meinem Standpunkt, dass wir noch einen langen Weg vom Keller- bis ins Erdgeschoss vor uns haben. Vom Obergeschoss ganz zu schweigen, und als Obergeschoss verstehe ich die Situation 2007. 1,5 oder sogar zwei Prozent Wachstum reichen in summa nicht aus. Schließlich beläuft sich die Delle dieses Jahres auf rund fünf Prozent, die Wirtschaft ist geschrumpft. Wir richten uns also auf einen langen Anpassungsprozess ein, der bis 2012/ 13 andauern dürfte.

Siepmann: Wenn wir früher über ein Wachstum von 1,5 Prozent gesprochen haben - und wir hatten oft Jahre mit einem solchen moderaten Plus -, dann war das so, als setzte man auf eine Treppe, die immer nur nach oben gerichtet ist, eine weitere Stufe. Jetzt sind wir aber hinabgestiegen, in den Regionen auf unterschiedliche Weise. NRW liegt im 1. Halbjahr bei rund sechs Prozent minus, Baden-Württemberg sogar bei minus zehn Prozent.

Siepmann: Es kommt auf die Branchenstrukturen an. Sie verstärken Tendenzen, die sich aus unserer engen Einbindung in die Weltwirtschaft ergeben. Im Rheinland sowie im Bergischen etwa sind Maschinenbauer und Automobilzulieferer besonders gebeutelt.

Siepmann: Die Unternehmen sind etwas eher geneigt, wieder zu investieren. Auch wird der Druck, Personal zu entlassen, nicht mehr so stark eingeschätzt. Und es gibt steigende Auftragseingänge in der Industrie. Allerdings benötigen wir 15 Monate stetig steigender Auftragszahlen, um Licht am Ende des Tunnels zu sehen, denn in einigen Bereichen gab es Rückgänge von bis zu 40 Prozent.

Siepmann. Davon ist auszugehen. 50 Prozent der befragten Unternehmen sagen, sie halten die Kurzarbeit bis Jahresende durch, 20Prozent bis zum Frühjahr. Dann sind sie aber in der Regel zu Personalanpassungen gezwungen, weil die Kurzarbeit durch Lohnfortzahlung bei Krankheit, Urlaubsgeld etc. ungefähr 30 Prozent teurer ist als ein echter Abbau.

Siepmann: Ja.

Siepmann: Automotive, Maschinenbau, Metall und Elektrotechnik bilden im Rheinland den harten Kern. Das wird kommen, weil in der kurzen Zeit bis zum Frühjahr der teils sehr beachtliche Produktionsrückstand nicht aufgeholt werden kann.

Siepmann: Sie hängt sehr davon ab, was jetzt in der Welt geschieht. Hier wie auch im Bund hoffen die Firmen, dass ihnen der Export aus dem Sumpf hilft. Und da weltweit, vor allem in China und USA, Konjunkturprogramme geschnürt wurden, könnten daraus auch weltwirtschaftliche Impulse entstehen.

Siepmann: Im Handwerk laufen vermutlich besondere Entwicklungen, weil dort viele bauabhängige Bereiche angesiedelt sind, die vom Konjunkturprogramm profitieren.

Siepmann: Die Erholung setzt sich fort, aber wir sind noch nicht über dem Berg - sondern noch in der Reha.

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