Hilfe für Eltern Abschied von den Sternenkindern

Düsseldorf · Die Diakonie Kaiserswerth und das Kinderhospiz kooperieren. Familien mit einem verstorbenen Kind werden gezielt unterstützt.

 Ein starkes Team: Elena Geifmann-Klöpfel, Patricia Meckenstock, Meike Kemnitz, Christine Taylor, Birgit Wurzler und  Ute Rinke (v.l.).

Ein starkes Team: Elena Geifmann-Klöpfel, Patricia Meckenstock, Meike Kemnitz, Christine Taylor, Birgit Wurzler und  Ute Rinke (v.l.).

Foto: Hans-Juergen Bauer (hjba)

Die Kreuzbergstraße in Kaiserswerth, Florence-Nightingale-Krankenhaus, und eine bedeutsame Zusammenkunft: Es geht um eine bundesweit einmalige Kooperation, die Klinik unter dem Dach der Kaiserswerther Diakonie und das namhafte Kinder- und Jugendhospiz Regenbogenland sind jetzt Partner. Mit 3000 Geburten allein in 2019 ist die Klinik führend in der Geburtshilfe in NRW. Auf Familienmedizin ist das Haus schon lange spezialisiert: Gynäkologie und Geburtshilfe etwa, Pränatalmedizin und Kinderintensivmedizin. Ernsthaft und warmherzig präsentiert sich ein Team, das vor der großen mentalen und auch praktischen Herausforderung steht, Familien mit einem verstorbenen Kind Hilfe zu geben.

Birgit Wurzler und Ute Rinke sitzen dabei in der großzügig geschnittenen Halle, die beiden sind Hebammen in der Klinik für Geburtshilfe im Florence-Nightingale-Krankenhaus und seit dem Start dieses besonderen Projektes mit der Aufgabe betraut, den Frauen zu helfen, deren Kind in der Schwangerschaft, während der Geburt oder nach der Entbindung stirbt. „Auch Väter sind natürlich betroffen, Großeltern, Geschwister“, sagt Wurzler. „Diese ‚still geborenen‘ Kinder werden auch Sternenkinder genannt“, klärt sie auf. „Dabei ist es egal, in welcher Schwangerschaftswoche das Kind sich vorzeitig verabschiedet hat. Der Tod eines Kindes trifft die ganze Familie und sollte bewusst und aktiv begleitet werden“, sagt sie. „Es ist uns eine Herzensangelegenheit. Wir wollen für die Familien da sein, sie während dieser schweren Zeit begleiten und das Abschiednehmen mit ihnen vorbereiten. Daher treten wir gerne schon vor einer stationären Aufnahme mit den Eltern in Kontakt“, sagt Rinke. „Wir begleiten die Menschen bei ihrer Trauer, wir versuchen behutsam, zu enttabuisieren. Wir sprechen mit den Familien darüber, ob sie dem Baby zum Beispiel einen Namen geben wollen. Und auch, wenn das ungewöhnlich klingt: Für viele Eltern ist es tröstlich, sich später Fotos von den Händchen etwa anzusehen oder den Füßchen. Es gibt auch die Möglichkeit, das Kind ins Stammbuch eintragen zu lassen. Sie sehen, es gibt sicher Vieles, was einfach nicht bekannt ist, und wir klären da auf“, sagt Wurzler. „Die Familien sollen das Haus verlassen mit Liebe im Herzen, das ist unser größter Wunsch.“

Tempo rausnehmen, sich Zeit nehmen, sie stillstehen lassen, Gespräche in Ruhe führen in einer Einrichtung wie der Klinik, die ja getrimmt ist auf Effizienz – das ist auch die Herausforderung. „Viele Eltern sind ja erst mal in einem Schockzustand, wenn die Diagnose kommt, dass sie ein todgeweihtes Kind austragen müssen, ganz zu schweigen von einer plötzlichen Totgeburt“, sagt Rinke. „Das müssen sie auch erst einmal verarbeiten.“ In diesem Prozess könne es auch vorkommen, dass eine Mutter ihr Baby zum Beispiel auch einmal baden wolle. Corona macht die Arbeit nicht leichter. „Eine Großmutter wurde per Video ins Krankenzimmer geschaltet. Die Frau sagte: ‚Ich muss doch wenigstens begreifen dürfen, um wen es geht.“

Hebammen, Psychologen und Seelsorgen arbeiten zusammen

Wurzler und Rinke obliegt die Federführung für diese „Spezialeinheit“, der weitere Hebammen zur Verfügung stehen. Diverse Zusatzausbildungen wie etwa zur Trauerbegleiterin im Kreissaal gehen ihrer neuen Funktion voraus. Neben den Hebammen stehen auch Psychologen bereit. Der Seelsorger am Florence-Nightingale-Krankenhaus, Ulrich Lüders, kann die Familien ebenfalls begleiten, er segnet das Kind und bestattet es – wenn die Familien es wünschen.

Sehr am Herzen liegt die Zusammenarbeit auch Norbert D. Hüsson, Vorstandsvorsitzender der Stiftung Kinder- und Jugendhospiz Regenbogenland. Das gewaltige Thema, das in der Gesellschaft wohl eher wenig wahrgenommen wird, umreißt er mit Hilfe von statistischen Daten: 1991 wurden in Deutschland 830 019 Kinder geboren. Zehn Jahre später, 2001, waren es 734 475 mit Rückgängen in den darauffolgenden Jahren. Seit 2014 sind es wieder konstant mehr als 700 000, 2019 kamen 778 090 Kinder zur Welt. „Während der Schwangerschaft freut sich die ganze Familie auf das Kind, das das Leben aller verändert. Leider endet etwa jede dritte Schwangerschaft mit einer Fehl- oder Totgeburt, das Kind ist nicht lebensfähig oder es stirbt kurz nach der Geburt“, bilanziert Hüsson und verdeutlicht damit die Sinnhaftigkeit der Kooperation mit dem Florence-Nightingale-Krankenhaus.

Erst kürzlich berichtete die WDR-TV-Sendung „Quarks & Co“ über das Thema und berief sich auf weitere statistische Daten, wonach jede sechste Schwangere eine Fehlgeburt hat – diese Erhebung beinhaltet allerdings nicht die Abbrüche, Todgeburten und palliativen Geburten. „Es gibt kaum Anlaufstellen, die sie in dieser Lebenssituation in allen Belangen umfassend auffangen und professionell begleiten“, sagt Hüsson und gibt einen Ausblick: Diese Partnerschaft soll langfristig sein. „Uns ist es wichtig, dass die betroffenen Familien in dieser Ausnahmesituation Halt finden können, dass sie ihr Kind in Ruhe kennenlernen können und dass ein würdiger Abschied möglich ist. Beide Einrichtungen verbindet die langjährige Erfahrung in der einfühlsamen und professionellen Begleitung von Familien in besonderen Lebenssituationen“, sagt Elena Geifmann-Klöpfel, Vorstandsmitglied der Stiftung Kinder- und Jugendhospiz Regenbogenland.

Das Kinder- und Jugendhospiz Regenbogenland kooperiert auch mit dem Geburtshaus Düsseldorf an der Achenbachstraße. Das Betreuungsangebot „GiV“ steht für „Gehalten im Verlust“ für Frauen und Paare bei Tot- und Fehlgeburten. Auch GiV soll dabei helfen, der Tabuisierung des Themas in der Gesellschaft entgegen zu wirken. Auch das Regenbogenland hat Angebote für verwaiste Eltern.

Elena Geifmann-Klöpfel stellte bei der Vorstellung der Partnerschaft klar: „Es ist keine Selbstverständlichkeit, dass bei einer Schwangerschaft alles gut läuft.“ Und ein wichtiger Job der Hebammen bestehe darin, dass sie den Müttern klarmachten, dass es nicht deren Schuld sei. Und: „Sie und ihre Familien haben ein Recht auf Trauer.“

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