NRW Düsseldorfs Vertreter in Berlin

Analyse | Düsseldorf · Analyse Die Düsseldorfer Parlamentarier sollen frei entscheiden – und stehen doch unter hohen Erwartungen aus der Heimat. Doch wie nutzt es der Stadt eigentlich, wenn ihre Bürger im Parlament sitzen und welche Interessen können sie vertreten?

 Derzeit sitzen aus dem Norden Thomas Jarzombek und für den Süden Sylvia Pantel (beide CDU) im Parlament.

Derzeit sitzen aus dem Norden Thomas Jarzombek und für den Süden Sylvia Pantel (beide CDU) im Parlament.

Foto: Endermann, Andreas (end)

Düsseldorf und Berlin sind rund 600 Kilometer entfernt, zu weit, um mitzuerleben, was die eigenen Parteifreunde im Parlament in ihrem Alltag tun. Immer mal wieder hat sich in den Düsseldorfer Parteiverbänden ein gewisses Misstrauen geregt, ob sich einer der in die Hauptstadt Entsandten nicht doch etwas zu viel in der eigenen Bedeutung gefiel, anstatt sich für die Daheimgebliebenen abzurackern. Spätestens, wenn die nächste Bundestagswahl naht, müssen die Abgeordneten demütig Rechenschaft in der Heimat ablegen – denn ohne die Billigung des heimischen Parteiverbands ist das Abenteuer Berlin schnell zu Ende.

Nicht nur deshalb ist die Frage spannend, was eigentlich Bundestagsabgeordnete für eine Stadt bringen – oder konkreter: für Düsseldorf. Am 26. September entscheiden die Wähler, wer in den kommenden vier Jahren in dem Berliner Parlament einen Platz findet. Nutzt es Düsseldorf, wenn mehr Düsseldorfer dabei sind? Was interessiert die ferne Stadt am Rhein überhaupt, wenn die großen Fragen von Corona bis Afghanistan auf dem Plan stehen?

Darauf gibt es eine formale, etwas brave Antwort. Und eine, die der Wirklichkeit näher kommt. Für die formale hilft ein Blick ins Grundgesetz. Dort heißt es, die Bundestagsabgeordneten seien ausschließlich ihrem Gewissen unterworfen und „an Aufträge und Weisungen nicht gebunden“ – das gilt natürlich auch für die eigenen Parteifreunde in der Heimat. Außerdem steht dort, sie seien „Vertreter des ganzen Volkes“. Es gilt also: Deutschland statt Düsseldorf.

Entsprechend groß sind die Themen, die die vier aktuellen Vertreter Düsseldorfs im Parlament beackern. Thomas Jarzombek (CDU) ist Beauftragter des Wirtschaftsministeriums für Digitale Wirtschaft und Start-ups und Koordinator für Luft- und Raumfahrt, Parteifreundin Sylvia Pantel kümmert sich vor allem um Familienpolitik. Andreas Rimkus (SPD) befasst sich in erster Linie mit emissionsfreien Technologien und Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP) ist Sprecherin ihrer Fraktion für Verteidigung und Kommunales.

Zugleich sind die Abgeordneten aber auch Bindeglied zwischen der Hauptstadt und ihrer Heimatgemeinde. Formal soll dafür vor allem das Direktmandat sorgen. Aus den 299 Wahlkreisen zieht jeweils der Kandidat mit den meisten Erststimmen ein, für die beiden Düsseldorfer Wahlkreise sind das aktuell die CDU-Politiker Jarzombek und Pantel. Die Direktkandidaten sind, so heißt es, in besonderer Weise „Ansprechpartner für die Interessen des Wahlkreises“, sollen die Verbindung zwischen Parlament und Bürgern sichern.

Die Wirklichkeit ist erheblich komplizierter, weil Politik es ist. Die Abgeordneten bewegen sich in dem schwer durchschaubaren Gefüge aus Ambitionen und Abhängigkeiten, in dem Macht ausgeübt wird. Natürlich gehört dazu auch die Erwartung von Partei und Wählern aus Düsseldorf, dass sie ihre Rechte, Netzwerke und Fähigkeiten für die Ziele der Stadt nutzen. Aus Sicht der Kommunen ist Berlin nicht nur der Gesetzgeber, sondern auch der Ort, an dem ständig über wichtige Einzelprojekte und vor allem prall gefüllte Fördertöpfe entschieden wird. Laufend richtet sich der Blick der Kommunalpolitik daher nach Berlin.

Zukunft der Bergischen Kaserne wird auch in Berlin entschieden

Nur zwei Beispiele: Die Entwicklung der Bergischen Kaserne zum Wohngebiet hängt an der Frage, wann die Bundeswehr dort abzieht. Und die ambitionierten Ziele in der Verkehrspolitik, vom Radwegebau bis zu günstigerem ÖPNV, würden sich erheblich leichter erreichen lassen, wenn Düsseldorf als Modellkommune ausgewählt oder mit Sondermitteln bezuschusst wird. Die Entscheidungen fallen in Berlin, und oft geht es dabei auch um einen Wettstreit vieler Kommunen, die alle gute Gründe für ihre Wahl sehen.

Ein drastisches Beispiel dafür, wie ein solcher Beschluss in der Realität ablaufen kann, zeigt aktuell das Tauziehen um den Standort für das Fotozentrum, eine hoch dotierte Einrichtung zur Bewahrung von Fotokunst, ähnlich wie das Deutsche Literaturarchiv in Marburg. Düsseldorf und Essen sind in der Auswahl.

Wenn stimmt, was aus Berlin berichtet wird, haben sich Staatsministerin Monika Grütters und ihre Widersacher aus dem Parlament in einen so tiefen Machtkampf verstrickt, dass fachliche Fragen inzwischen eher eine Nebenrolle spielen. Das sind Situationen, in denen auch entscheiden kann, welche Kommune gute Drähte in die Ministerien und die Fraktionen hat. Auch das kann eine Sternstunde für Abgeordnete sein.

Ein Düsseldorfer in der Fraktionsspitze einer der kommenden Regierungsparteien, vielleicht sogar ein Minister in einem wichtigen Ressort – man kann die anstehende Regierungsbildung also auch aus lokaler Sicht bewerten. Wie viel das am Ende der Stadt und ihren Bürgern bringt, lässt sich nicht genau beziffern, dafür ist das Machtgefüge in Berlin dann doch wieder zu unübersichtlich.

Überhaupt ist aus der Heimat manchmal kaum nachzuvollziehen, wer wirklich entscheidenden Einfluss hatte und wer sich nur vor der nächsten Nominierung mit allen möglichen Erfolgen brüstet – klappern gehört zum politischen Handwerk.

Sicher ist aber doch: Viele Düsseldorfer mit Nähe zur Macht schaden Düsseldorf sicher nicht.

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