Saisonfinale auf P1 Düsseldorfs (Wieder-)Entdeckung des Jahres: das Autokino

Düsseldorf · Auf dem Messeparkplatz wurden diverse Unterhaltungsformate vor Motorhauben ausprobiert. Nun endet die Saison - mit einem Film sowie dem „Local-Hero-Festival“.

 Am Ostersonntag gab es einen Gottesdienst im Autokino.

Am Ostersonntag gab es einen Gottesdienst im Autokino.

Foto: dpa/Henning Schoon

Lange gab es nur das gelbe Faltblatt. Wenn ein Düsseldorfer in den vergangenen Jahrzehnten ein Autokino besuchen wollte, stieß er mit hoher Wahrscheinlichkeit auf das altmodische Werbemittel des Kinos in Köln-Porz (oder in Essen), auf dem vorsichtshalber auch immer gleich noch für Trödel- oder Automärkte auf dem Gelände geworben wurde. Auf diese besondere Weise einen Film zu gucken, war also mit einigem Aufwand verbunden, den man vielleicht einmal betrieb, dann aber doch wieder auf normale Leinwände oder in Open-Air-Kinos wechselte. Dann kam Corona und die NRW-Landeshauptstadt war Anfang April einer der ersten Orte, für die (Wieder-)Entdeckung des Jahres. An diesem Wochenende geht die Saison nun zuende – mit einem Film und einem ungewöhnlichen Ereignis, die für das Autokino auf dem Messeparkplatz P1 prägend waren. Am Freitagabend läuft der jüngste Film von Quentin Tarantino, „Once upon a time in Hollywood“, am Sonntag ab 16 Uhr spielen Düsseldorfer Musiker das „Local-Hero-Festival“. Das können Gäste erst- und einmalig auch ohne Auto besuchen, wenn sie ein Picknick-Ticket kaufen, Klappstuhl oder Decke mitbringen.

Für die städtische Veranstaltungstochter D.Live erschien das Autokino als eine gute Möglichkeit, die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie abzumildern. Das Unternehmen bespielt vier Hallen in Düsseldorf sowie das große Open-Air-Kino am Rheinufer, entsprechend heftig traf das Verbot von Großveranstaltungen. Und so entstand erstens die Idee des Autokinos sehr früh und zweitens schon sehr bald, den implizierten Schutz der Zuschauer für andere Ideen zu nutzen. Die Kontakte gab es ja schließlich. Und so tauchten beinah wöchentliche neue Programmpunkte ohne cineastischen Hintergrund auf. Im Autokino wurden Gottesdienste, Hochzeiten und die Erstkommunion gefeiert, Musiker wie Sido oder Max Giesinger präsentierten ihre Shows, Profisportler traten im Stabhochsprung und im Boxring an, die hiesigen Karnevalisten präsentierten ihr neues Prinzenpaar und das Lied für die nächste Session. Ob sich der Aufwand für D.Live gelohnt hat, lässt sich noch nicht sagen. Auf Anfrage wollte das Unternehmen noch keine Angaben zu Besucherzahlen oder Umsätzen machen.

 Stabhochspringer waren bei der „Flight Night“ zu Gast vor der Leinwand.

Stabhochspringer waren bei der „Flight Night“ zu Gast vor der Leinwand.

Foto: dpa/Marius Becker

Für den Großraum Düsseldorf war die Rückkehr des Autokinos darüber hinaus mit einer Erinnerung an die Siebziger Jahre verbunden. Damals gab es in Ratingen-Breitscheid das Minidomm-Autokino. In Deutschland waren ab 1960 die ersten Kfz-Lichtspielhäuser entstanden, im April 1968 auch nahe der Düsseldorfer Stadtgrenze. Der Minidomm war eine Miniaturmodellstadt, die so beliebt war, dass es heute noch eine Internetseite gibt, auf der Fans daran erinnern. Das gilt auch für das dazugehörige Autokino. Die Macher der Internetseite berichten von einem kleinen blauen Haus, in dem der Projektor stand, von Säulen, an denen die Lautsprecher hingen und eine Klingel für den Servicewagen und im Winter auch eine Heizung. Bis zu vier Filme liefen pro Tag, der letzte war oft ein Horror- oder Erotikfilm. Der Eintritt kostete in den frühen Siebzigern fünf Mark pro Person, 1992 zehn Mark.

 Die Karnevalisten feierten ihr neues Prinzenpaar auf dem Messeparkplatz P1.

Die Karnevalisten feierten ihr neues Prinzenpaar auf dem Messeparkplatz P1.

Foto: dpa/David Young

Das Quentin-Tarantino-Werk mit Leonardo di Caprio und Brad Pitt sowie das „Local-Hero-Festival“ sind vorerst die letzten beiden Möglichkeiten, noch einmal Unterhaltungsprogramm im eigenen Kraftfahrzeug in Düsseldorf zu erleben. Das Pkw-Ticket gilt für zwei Insassen, weitere Zuschauer auf der Rückbank des Autos zahlen fünf Euro, wegen der eingeschränkten Sicht. Menüs mit verpackten Speisen und Getränken bestellt man vorher online und holt sie dann ab, auf der UKW-Frequenz 92,6 ist der Ton zu hören. Und wer, zum Beispiel für die lokalen Musikhelden beim Festival am Sonntag, applaudieren möchte, muss das Hupverbot beachten und auf eine Applaus-App setzen.

Ob es eine zweite Auflage des Autokinos gibt, möchte die Betreiber auf Anfrage ebenfalls noch nicht sagen. Die Antwort dürfte wesentlich von der weiteren Corona-Entwicklung abhängen. Gibt es im nächsten Sommer einen Impfstoff und sind Veranstaltungen mit 1000 oder mehr Besuchern wieder möglich, dürfte es in Düsseldorf wohl wieder ein großes Open-Air- statt eines Autokinos und wenig Anlass für Shows und Hochzeiten auf dem Messeparkplatz P1 geben. Gibt es den Impfstoff noch nicht und gelten ähnliche Corona-Regeln wie aktuell, stehen die Chancen besser – und für die Gestalter von gelben Faltzetteln schlechter.

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