„Kommunikationschaos“ Neues Testverfahren an Grundschulen in NRW sorgt für Kritik - Gebauer verteidigt Änderungen

Düsseldorf · Praktisch über Nacht sind die Testverfahren für die Grundschulen in NRW geändert worden. Schulen, Eltern, Lehrergewerkschaften und politische Opposition sind allesamt verärgert, besorgt, verunsichert.

 Eltern in NRW kritisieren die Teststrategie der Landesregierung.

Eltern in NRW kritisieren die Teststrategie der Landesregierung.

Foto: dpa/Jens Büttner

Die kurzfristigen Änderungen beim Corona-Testverfahren für Grundschüler in NRW haben Verwirrung, Frust und viel Kritik ausgelöst. Die neuen detailreichen Test-Regelungen gelten seit Mittwoch für die Primarstufe, waren als „Strategie 2.0“ aber erst am Dienstagabend bekanntgemacht worden. Neu ist im Kern, dass bei Grundschülern nach einem positiven Pool-Ergebnis der Klasse bei den Lolli-PCR-Tests nur noch mit einzelnen Schnelltests nachgetestet wird. Bisher hatten Schüler zusätzlich noch einzelne PCR-Rückstellproben abgegeben, die bei einem positiven Pool-Ergebnis rasch in einem zweiten Schritt in den Laboren überprüft worden waren, um infizierte Kinder zu identifizieren.

Das entfällt nun - laut Schulministerium wegen der sprunghaft angestiegenen Infektionszahlen, der damit einhergehenden starken Labor-Belastungen und der von Bund und Ländern beschlossenen Konzentration von PCR-Testungen auf bestimmte Gruppen (Priorisierung). PCR-Tests gelten als besonders genau. Aus Lehrer- und Elternverbänden sowie der politischen Opposition kam scharfe Kritik. Kommunikation, Krisenmanagement und Planung seien auf chaotische und dilettantische Weise erfolgt, die Verunsicherung an den Schulen sei groß, der Schutz der Kinder nicht ausreichend gewährleistet.

Die angepasste Testregelung sieht vor: Schüler eines positiv getesteten Klassen-Pools dürfen nur am Unterricht teilnehmen, wenn sie vorher noch ein negatives Schnelltestergebnis oder ein „anderweitig eingeholtes“ negatives PCR-Testergebnis vorweisen können. Oder wenn sie zum Unterrichtsbeginn einen Schnelltest mit negativem Ergebnis in der Schule durchführen.

Sobald sich ein Corona-Schnelltest als positiv erweise, müsse sich der Schüler umgehend in häusliche Isolation begeben. Die Schule soll den Grundschüler bis zur Übergabe an die Eltern begleiten. Es muss dann eine Kontrolltestung „außerhalb der Schulsystems durch eine Teststelle mindestens als Corona-Schnelltest“ erfolgen. Falle auch dieser Schnelltest positiv aus, gilt der Schüler als infiziert und kann sich erst nach sieben Tagen an einer offiziellen Teststelle oder über einen PCR-Test freitesten. Die Eltern werden über ein positives Schnelltest-Ergebnis ihrer Kinder informiert und aufgefordert, diese unmittelbar von der Schule abzuholen. Das Gesundheitsamt sei zu informieren. An Förderschulen bleibt das bestehende Testsystem erhalten.

SPD-Oppositionsführer im nordrhein-westfälischen Landtag, Thomas Kutschaty, warf Schulministerin Yvonne Gebauer (FDP) und Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) ein „Kommunikationschaos“ vor. Die Bund-Länder-Pläne zur Priorisierung bei den PCR-Tests seien bereits am Montag bekannt gewesen. „An unseren Grundschulen ist das Testregime regelrecht zusammengebrochen“, sagte Kutschaty im Düsseldorfer Landtag. „Kinder konnten nicht zur Schule, Eltern nicht zur Arbeit.“ Grünen-Fraktionschefin Josefine Paul monierte, die NRW-Regierung lasse „klare Kommunikation und gutes Krisenmanagement“ vermissen.

Schulministerin Yvonne Gebauer hat die kurzfristigen Änderungen beim Corona-Testverfahren für Grundschüler in NRW gegen Kritik verteidigt. Das Test-System sei nicht gescheitert, betonte die FDP-Politikerin am Mittwoch in Düsseldorf. Es sei aber von zwei Seiten angegriffen worden und habe geändert werden müssen. Zum einen seien die Infektionszahlen sprunghaft gestiegen und die Labore an ihre Grenzen gekommen. Zum anderen müsse sich NRW an den Beschluss der Ministerpräsidentenkonferenz (MPK) von Montag halten. Demnach muss bei den als besonders genau geltenden PCR-Tests eine Konzentration auf bestimmte Gruppen erfolgen, also priorisiert werden.

Gebauer sagte, sie hätte sich gewünscht, dass auch das System Schule als systemrelevant und als Teil der kritischen Infrastruktur eingestuft werde - und somit unter die Priorisierung gefallen wäre. Sie bedauere, dass die MPK hier anders entschieden habe. Das hochwertige Pool-Testverfahren sei für die Grundschüler aber teilweise und für die Förderschüler vollständig erhalten geblieben. Schultestungen hätten bisher rund 45 Prozent der Labor-Kapazitäten beansprucht, erläuterte Gebauer.

Sie habe Verständnis für Kritik an den Anpassungen, die zusätzlichen Aufwand bedeuteten. Vorwürfe zur Kommunikation wies die Ministerin aber zurück. Sie habe schnellstmöglich gehandelt und informiert. In NRW laufe der Schulbetrieb auch weiterhin gut. Rund 93 bis 94 Prozent der Lehrkräfte seien im Dienst. Zwischen 95 und 99 Prozent der Schüler hätten in den vergangenen Wochen am Präsenzunterricht teilgenommen.

Grundschulen in Düsseldorf und Wuppertal machten mit weißen Fahnen und Tüchern, die sie aus den Fenstern hängten, auf ihre angespannte Lage aufmerksam. „Mit der weißen Fahne wollen wir ein Zeichen setzen: Bis hier hin und nicht weiter“, sagte Holger Thrien von der Gewerkschaft GEW. Es sei zu befürchten, dass einige Lehrkräfte aufgrund der großen Belastung aus dem Beruf aussteigen. Thrien forderte unter anderem Fachpersonal für die Corona-Tests vor Unterrichtsbeginn und einen reduzierten Lehrplan.

Der Landesvorsitzende des Verbands Bildung und Erziehung, Stefan Behlau, sagte auf dpa-Anfrage, die erneute kurzfristige Umstellung habe vielerorts Frust und Ärger hervorgerufen. Schulen wünschten sich endlich wieder Zeit für die Kinder, für Unterricht und schulisches Leben. Der Elternverband LEiS bezeichnete die Teststrategie als „krachend gescheitert“. Das ausgegebene Ziel, Schule als sicheren Lernort zu erhalten, habe sich als Illusion erwiesen, meinte die Landeselternschaft der integrierten Schulen in NRW. „Hier wird mit der Gesundheit unserer Kinder und der betroffenen Familien gespielt.“

Der Verband Lehrer NRW verwies auf eine rasche Zunahme auf aktuell 6349 Lehrkräfte, die wegen einer Infektion, Quarantäne oder aus Fürsorgegründen nicht im Präsenzunterricht einsetzbar seien. „Man muss kein Virologe und auch kein Mathematik-Genie sein, um zu erkennen, dass flächendeckender Präsenzunterricht unter der Wucht der Omikron-Welle nicht aufrecht zu erhalten sein wird“, mahnte der Vorsitzende Sven Christoffer.

Derzeit sind laut Ministerium rund 80 Prozent der Pool-Tests negativ. Diese Schülerinnen und Schüler können am Folgetag wie gewohnt am Unterricht teilnehmen. Dem Schulministerium sei bewusst, dass die Anpassungen den Schulalltag weiter belasteten.

(dpa)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort