Unfallrekonstruktion: Wahrheitssuche in der Dunkelheit

Das Medieninteresse an der Rekonstruktion des tödlichen Unfalls vom Februar ist gewaltig. Doch die Arbeit des Sachverständigen beginnt erst, als alle schon wieder weg sind.

„Alexanders Genesung macht dank seiner Behandlung gute Fortschritte. Es geht ihm stetig besser, er braucht aber noch immer viel Ruhe, damit er vollständig genesen kann. Er unterstützt voll und ganz, dass jetzt die Behörden den notwendigen Verfahrensschritten folgen, um die Ermittlungen abzuschließen.“ (Mitteilung vom 11. Juni 2013 auf der Internetseite des EU-Politikers Alexander Alvaro).

Burscheid. Es ist ein gespenstischer Konvoi, der sich am Freitagabend um 23 Uhr vom Parkplatz zwischen Max Bahr und Shell-Tankstelle in Richtung A 1 in Bewegung setzt. Während der Verkehr aus Richtung Dortmund in Burscheid auf die Höhestraße abgeleitet wird, macht sich die Kolonne auf den Weg zur einstigen Unfallstelle in Höhe Geilenbach.

TV-Journalisten, Fotografen und Reporter, Technisches Hilfswerk, Staatsanwalt und Polizeikräfte halten kurz hinter Autobahnkilometer 394,5. Über ein halbes Jahr ist es her, dass an dieser Stelle ein 21-jähriger Autofahrer aus Münster sein Leben ließ.

Was genau am 22. Februar gegen 22.30 Uhr geschah, ist aber noch immer nicht aufgeklärt, sonst würde es diesen Aufwand jetzt nicht geben. Als gesichert gilt, dass ein Opel Vectra aus Münster ins Schleudern gerät, in die Böschung rutscht und wieder zurück auf die Fahrbahn.

Dann kracht ein Audi mit Alexander Alvaro, dem Vizepräsidenten des EU-Parlaments, am Steuer in den Unfallwagen. Dessen Fahrer wird aus dem Vectra herausgeschleudert und stirbt noch an der Unfallstelle. Seine zwei Beifahrer (16 und 15) sowie Alvaro selbst erleiden zum Teil schwerste Verletzungen.

Aber es bleiben noch viele offene Fragen. Ist der 21-Jährige vor oder nach Alvaros Aufprall aus dem Auto geschleudert worden? Trifft den FDP-Politiker eine Mitschuld am Tod? Was ist mit dem schwarzen Audi A 1, der laut Zeugenaussagen den Unfall verursacht haben könnte, aber danach spurlos verschwand?

Ein Sachverständiger soll an diesem Abend etwas Licht ins Dunkel des Unfallgeschehens bringen — mit einer Rekonstruktion. Der Aufwand ist gigantisch. Drei Stunden Sperrung hat die Bezirksregierung den Ermittlern eingeräumt. Ein Abschleppdienst hievt ein Unfallauto an die Stelle, wo im Februar der Opel liegen blieb.

Während der Gutachter mit einem Messrad von der Unfallstelle in Richtung Burscheid zurückgeht und in Zehnmeterabständen Markierungen auf die Betonmittelplanke sprüht, bauen Veranstaltungstechniker drei Nebelmaschinen auf, die die Witterungsverhältnisse im Februar simulieren sollen.

In dieser Nacht darf nichts schiefgehen. Der Freitag ist der letztmögliche Termin in diesem Jahr, eine weitere Sperrung wird die Bezirksregierung nicht genehmigen. Was genau wie gemessen, getestet und rekonstruiert wird, darüber schweigt sich Staatsanwalt Daniel Vollmert aus. Aber das Verfahren ist offenbar so heikel und sensibel, dass sogar Hundeführer der Polizei entlang der Autobahn dafür Sorge tragen, dass sich im Dickicht keine unliebsamen Beobachter verstecken

Einmal fährt der Sachverständige schließlich mit einem schweren Audi auf das Unfallauto zu und bremst kurz davor, damit die Kameraleute und Fotografen zu ihrem Recht kommen.

Um Mitternacht müssen alle Medienvertreter mit ihren Fahrzeugen die Unfallstelle wieder in Richtung Leverkusen verlassen. Jetzt beginnt die wirkliche Arbeit des Experten, abgeschirmt von Blitzlichtern und Scheinwerfern, in völliger Dunkelheit.

Ob er der Wahrheit dabei näherkommt in den zwei Stunden, die ihm noch bleiben, wird die Staatsanwaltschaft erst in einigen Wochen oder Monaten wissen. Dann soll sein Gutachten vorliegen.

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