Meinung Die gute Konjunktur ist im Abklingbecken

Meinung · Die Mahnung von Scholz, wonach die „fetten Jahre“ vorbei seien, war sicher nicht verfrüht. Aber der treffende Befund lässt politische Konsequenzen von durchschlagender Wirkung vermissen.

 Stefan Vetter.

Stefan Vetter.

Foto: k r o h n f o t o . d e

Die „fetten Jahre“ sind vorbei. So hatte es Finanzminister Olaf Scholz schon zu Jahresbeginn verkündet. Zieht man die aktuelle Steuerschätzung in Betracht, dann klafft hier scheinbar ein Widerspruch. Denn allein der Bund wird zumindest bis Ende 2019 deutlich mehr Steuern einnehmen als noch in der Mai-Prognose kalkuliert. Der Kassenwart profitiert weiter von der guten Beschäftigungslage und den deutlichen Lohnzuwächsen im Land.

Nach einer ebenfalls am Mittwoch veröffentlichten Umfrage des Deutschen Industrie- und Handelskammertages ist die Stimmung in den Unternehmen allerdings so pessimistisch wie seit zehn Jahren nicht mehr. Der Abbau der Arbeitslosigkeit hat sich schon verlangsamt. Die gute Konjunktur ist im Abklingbecken. In dieser Situation müsste die Bundesregierung alles tun, um die Standortbedingungen zu verbessern. Die finanziellen Spielräume wären vorhanden, um zum Beispiel eine Unternehmenssteuerreform ins Werk zu setzen. Und was nützt es, wenn sich die Bundesregierung für ihre Investitionsanstrengungen rühmt, wo viele Milliarden davon doch gar nicht abfließen, weil es an Bau- und Planungskapazitäten mangelt?

Natürlich kann sich Scholz das fehlende Personal dafür nicht backen. Aber er kann mit dafür sorgen, dass Genehmigungs- und Planungsverfahren deutlich vereinfacht werden und staatliche Förderprogramme weniger bürokratisch gestrickt sind. Wenn von der Idee bis zur Verwirklichung von Straßen oder Brücken Jahrzehnte vergehen, dann ist etwas faul in Deutschland.

Die Mahnung von Scholz, wonach die „fetten Jahre“ vorbei seien, war sicher nicht verfrüht. Aber der treffende Befund lässt politische Konsequenzen von durchschlagender Wirkung vermissen. Und wenn man sich den Zustand der großen Koalition anschaut – Union und SPD ringen schwer mit sich selbst – dann ist hier wohl auch keine Besserung zu erwarten.

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