Schäubles Ehrlichkeit

Das wäre eine eigenartige Bescherung: Noch bevor sich die Kinder über ihre Geschenke freuen können, verkündet der Familienvater, die Haushaltslage sei so angespannt, dass die Familie nach dem Fest in eine bescheidenere Wohnung umziehen müsse.

Nichts anderes vermittelt der Bundesfinanzminister den Bundesbürgern. Gerade erst sind die Steuerentlastungen in Höhe von 8,5 Milliarden Euro für Familien, Unternehmen, Erben und Hoteliers beschlossen, da kündigt Wolfgang Schäuble einen rigorosen Sparkurs an. Sechs Jahre lang müsse die Bundesregierung das strukturelle Defizit ihres Haushaltes um zehn Milliarden Euro per anno abbauen.

Und er macht keinen Hehl daraus, dass dies nur zu einem kleinen Teil durch das Anschieben wirtschaftlichen Wachstums gelingen wird. Schmerzhafte Einschnitte bei den Leistungen oder Steuererhöhungen sind die Alternativen. Wahrscheinlich wird sogar beides nötig sein, wenn Schäuble sein Ziel erreichen will. Ein Ziel, das durch die im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse vorgegeben ist.

Was bewegt den Finanzminister zu dieser schonungslosen Ehrlichkeit, die die Absurdität des weihnachtlichen Steuergeschenks noch vor der Bescherung offenlegt? Schäuble hat ein kurzfristiges und ein langfristiges Ziel vor Augen. Zunächst gilt es, die Ansprüche der Gewerkschaften nach einer fünfprozentigen Tariferhöhung für die Beamten zurückzuweisen, der die Angestellten im Nachgang folgen würden. Dafür muss Schäuble auch das Primat der Konjunkturbelebung durchbrechen - das stärkste Argument für eine Tarifspritze auf Pump.

Auf lange Sicht versucht der Finanzminister, die Agenda der Bundesregierung umzukehren. Vor einer weiteren - von der FDP verlangten - Steuersenkung steht die Konsolidierung des Haushalts. Ein bisschen Wolkenkuckucksheim muss reichen. Und die Botschaft scheint beim Koalitionspartner anzukommen.

Schon treten der FDP-Haushaltsexperte Otto Fricke und Generalsekretär Christian Lindner für einen umfassenden Subventions- und Bürokratie-Abbau ein. Schäuble stürzt die Regierung nur in ein Dilemma: Einmal losgetreten, lässt sich die Debatte über den notwendigen Kurswechsel nicht bis nach der Landtagswahl in NRW verschieben.

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