Parteitag in Berlin : Lindner attackiert Merkel - FDP-Debatte um Russland-Kurs
Berlin (dpa) - FDP-Chef Christian Lindner hat Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) Führungsversagen vorgeworfen und mehr Einsatz zur Lösung der Krisen in der Welt gefordert.
So sei Merkel eine Antwort auf die Konflikte in Iran und Syrien bisher schuldig geblieben, sagte Lindner beim ersten FDP-Parteitag seit dem Wiedereinzug in den Bundestag in Berlin. „Jetzt ist Leadership nötig.“ Wenn Kanzler Helmut Kohl (CDU) und Außenminister Hans-Dietrich Genscher (FDP) 1989 so zögerlich gehandelt hätten, dann „hätte es die deutsche Einheit niemals gegeben“.
Nachdem die FDP die Jamaika-Sondierungen mit Union und Grünen im November hatte platzen lassen und es erneut zu einer großen Koalition gekommen ist, sind die Liberalen zweitstärkste Oppositionskraft im Bundestag - hinter der AfD. Lindner versuchte bei dem Parteitag, die FDP als eigenständige Kraft mit klarem Kurs zu positionieren.
Der Parteichef forderte ein Zusammenrücken in Europa, nachdem US-Präsident Trump das Atomabkommen mit dem Iran aufgekündigt hat. „Die USA sind in den Unilateralismus zurückgefallen.“ Abschottung und militärische Eskalation würden an Boden gewinnen. Die Liberalen hielten an Offenheit, Diplomatie und Multilateralismus fest. „Nicht weil wir naiv sind, sondern weil es die Lehre der Geschichte ist“, sagte Lindner. „Jede mögliche Antwort beginnt mit einem Wort. Und dieses Wort heißt Europa.“
Von Merkel forderte er mehr Einsatz. Seit Monaten wartet Frankreichs Präsident Emmanuel Macron auf eine Antwort der deutschen Regierung auf seine Vorschläge, die Integration in Europa zu stärken. Lindner fordert nach dem US-Ausstieg aus dem Iran-Abkommen einen EU-Sondergipfel nur zu dem Thema. „Der Kontinent muss seine Schockstarre überwinden.“ Merkel sei weltpolitisch geschwächt und werde anders als Macron bei Trump mit einem kurzen Arbeitsbesuch abgespeist, das sei eine „protokollarische Ohrfeige“ gewesen.
Lindner war bemüht, den internen Konflikt um den Umgang mit Russland zu befrieden. Mit Blick auf Forderungen nach einer schrittweisen Aufhebung der Sanktionen, wie es ein inhaltlich von Vize Wolfgang Kubicki unterstützter Antrag vorsieht, betonte Lindner: „Wir sind eine lebendige, liberale Partei. Ein Meinungsspektrum macht uns nicht schwach, sondern macht uns stark.“ Ein bedingungsloser Sanktionsverzicht bedeute aber, den zweiten Schritt vor dem ersten zu machen. Der Westen erschiene dann defensiv und schwach.