Kommentar Libyen-Konferenz und deutsche Außenpolitik: Das Machbare im Blick

Meinung | Berlin · Durch Merkels schleichenden Abgang wirkt es so als hätte Deutschland in der Außenpolitik an Bedeutung verloren. Die Libyen-Konferenz beweist das Gegenteil.

 Hagen Strauß

Hagen Strauß

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Der deutschen Außenpolitik ist in den letzten Monaten nicht viel Gutes attestiert worden: Unzulängliche Initiativen, fehlende Präsenz, mangelnde Courage, so lautete die Kritik. Man kann meinen, dass Deutschland als internationaler Player ausgedient hat. Die Gründe dafür liegen zunächst einmal auf der Hand: Wegen einer Kanzlerin, deren Amtszeit ausläuft; wegen eines getrieben wirkenden Außenministers, der selbst aus den eigenen Reihen mitunter für seine Pläne angezählt wird. Und wegen den Trumps und Putins, die die internationale Ordnung auf den Kopf gestellt haben durch ihre Abkehr vom Multilateralismus. Mit der Libyen-Konferenz hat die Bundesregierung allerdings ein Ausrufezeichen gesetzt.

Sie hat bewiesen, dass sie nach wie vor in der Lage ist, Führung zu übernehmen. Deutschland wird als ein ehrlicher Makler wahrgenommen – und das in einem extrem komplizierten Konflikt wie dem in Libyen. Die Bundesregierung kann auf internationalem Parket also doch noch mehr als immer nur zu appellieren und Deeskalation zu verlangen.

Einiges erinnert in der Libyen-Frage an die deutsche Rolle im Friedensprozess für die Ukraine, nicht zuletzt die dramatischen Verhandlungstage vor fünf Jahren in Minsk. Konkrete Resultate sind auch diesmal wieder das eine. Genauso wichtig jedoch ist der diplomatische Prozess, der angestoßen wird. Angela Merkel und Heiko Maas haben unter dem Dach der Uno unterschiedliche machtpolitische Interessen an einen Tisch gebracht, sie haben jene zur Anreise nach Berlin bewegt, die es in der Hand haben, politische statt militärische Fortschritte zu erzielen, eine Waffenruhe und irgendwann auch vielleicht eine innerlibysche Aussöhnung herbeizuführen. Wenn sie denn wollen. Die Beratungen im Kanzleramt waren auf alle Fälle ein erster Schritt, und damit für sich schon ein Erfolg.

Welche Schritte tatsächlich folgen, muss sich erweisen. So oder so wird Libyen noch lange ein Chaos-Land bleiben. Und die Bundesregierung muss auf alles vorbereitet sein – wäre sie zum Beispiel bereit, die Bundeswehr an einer robusten internationalen Mission zu beteiligen? Und wenn ja, wie will sie die Bundestagsfraktionen der Koalition zu einer Zustimmung bewegen? Diese Fragen müssen schnell beantwortet werden. Denn sie können sich vielleicht rascher stellen als gedacht.

Mit der Berliner Libyen-Konferenz hat Angela Merkel zugleich noch einmal gezeigt, was ihre politische Stärke ist: In heiklen Situationen und bei komplexen Problemen das Machbare im Blick zu haben. Pragmatisch, ausgleichend, ohne Illusionen. Merkel kann Krisenpolitik. Sie kann vermitteln. Das dürfte ein Teil ihres politischen Vermächtnisses werden.

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