Meinung So gerät der Rechtsstaat auf eine schiefe Ebene

Meinung · Polizisten sollen Kinderpornos am Computer erzeugen und diese dann anderen Nutzern zur Verfügung stellen dürfen. Aber wie weit darf das gehen?

 Im Kampf gegen Kinderpornografie ist es Beamten erlaubt, sich bei ihren Ermittlungen in einschlägigen Foren als Kind auszugeben. Zudem können sie kinderpornografisches Material künstlich herstellen, um es zum Tausch anzubieten.

Im Kampf gegen Kinderpornografie ist es Beamten erlaubt, sich bei ihren Ermittlungen in einschlägigen Foren als Kind auszugeben. Zudem können sie kinderpornografisches Material künstlich herstellen, um es zum Tausch anzubieten.

Foto: picture alliance / dpa/Paul Caffrey

Es klingt befremdlich: Polizisten sollen Kinderpornos am Computer erzeugen und diese dann anderen Nutzern zur Verfügung stellen dürfen. Der dahinter stehende Gedanke: Nur so erhalten sie Zugang zu entsprechenden Portalen, in denen eine solche „Keuschheitsprobe“ verlangt wird. Nur wer selbst mitmacht, gilt in dem Portal als vertrauenswürdig und kann zur Community gehören. Auch wenn die Ermittler natürlich nur deshalb dabei sein wollen, um die wirklichen Täter zu überführen, ist diese Ermittlungsmethode bedenklich.

Die Sache hat eine viel größere Dimension als das, was einst dem früheren NRW-Finanzminister Norbert Walter-Borjans vorgeworfen wurde: dass nämlich der SPD-Politiker den Staat durch den Ankauf von Steuer-CDs zum Hehler der Datendiebe gemacht habe. Die Kritik verstummte, als durch die so erworbenen Informationen Tausende von Steuerbetrügern aufflogen und sieben Milliarden Euro in staatliche Kassen flossen. Der Zweck heiligte sozusagen die Mittel. Der Ankauf, die Kooperation mit einem illegal handelnden Informanten für einen guten Zweck, wurde weithin akzeptiert.

Aber wie weit darf das gehen? Soll über dieses bloße Abschöpfen von Informationen hinaus dem Staat ein aktives Mitmischen in einem Verbrecherkreis erlaubt sein? Soll ein staatlich gelenkter V-Mann (V steht für Verbindung und Vertrauen), der in eine Gruppe von Kriminellen eingeschleust wird, eine Körperverletzung begehen dürfen, wenn auch die anderen zuschlagen? Und eben das muss er doch, wenn er in dem Zirkel nicht auffallen will. Wie aber erklärt der Staat das dem Opfer einer solchen Tat? Etwa so: Sorry, das ist für einen höheren Zweck geschehen.

Es wird immer so sein, dass ein V-Mann sich als  unverdächtig beweisen muss. Und die kriminelle Gruppe, in die er da im Namen des Rechtsstaats eintreten will, kann den Initiationsritus, den sie vor einer Aufnahme des neuen Mitglieds erwartet, beliebig hochschrauben. Eine unselige Spirale, auf die sich der Staat da einlässt.

Eben dies droht auch bei der jetzt erlaubten Keuschheitsprobe in Sachen Kinderpornos. Zwar wird für die von den Ermittlern hochgeladenen computergenerierten Bilder kein Kind missbraucht und die Polizei darf auch keine realen Aufnahmen verwenden. Doch schon bald werden die Plattformen im Darknet, auf denen solche Bilder getauscht werden, mehr verlangen. Videos etwa, die sich kaum erzeugen lassen, ohne sogleich als Trickfilm enttarnt zu werden. Wer diese Art von Ermittlungen im Sinne der guten Sache – der Überführung skrupelloser Täter – begrüßt, muss sich bewusst sein, wie schief die Ebene ist, auf die sich der Rechtsstaat da begibt.

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