Bahnstreik Die Hetze gegen Weselsky muss aufhören

In Streik-Zeiten verwandeln sich Netzwerke in Hetzwerke

Ein Kommentar von Chefredakteur Ulli Tückmantel.

Ein Kommentar von Chefredakteur Ulli Tückmantel.

Sagt Ihnen der Name Jan Leyk etwas? Muss er nicht: Leyk (29) ist ein TV-Laiendarsteller, der bei RTL II rausgeflogen und bei Sat.1 nicht über „Promi Big Brother“ hinaus gekommen ist. Er ist nun nach eigenen Angaben DJ und Designer sowie in diesen Tagen — wie so viele andere in den sozialen Netzwerken, die eher Hetzwerken gleichen — damit beschäftigt, sich auf unterstem Gossensprachen-Niveau an GDL-Chef Claus Weselsky abzuarbeiten. Leyk hat bei Facebook 1,15 Millionen Fans. Knapp 25 000 seiner Fans klickten am Wochenende „gefällt mir“ für die Idee, streikende Lokführer auf eine wegen Brückenbaus gesperrte Zugstrecke zu schicken; mehr als 2500 Fans verbreiteten die Idee weiter.

Die Hetze gegen Claus Weselsky als Vorsitzenden der Lokführergewerkschaft GDL hat inzwischen auf vielen Ebenen ein Ausmaß erreicht, das nicht mehr hinnehmbar ist. Bereits bei den sieben vorausgegangen Streiks der GDL vergriffen sich Politiker und Medien völlig im Ton. Ja, der Streik nervt. Ja, er kostet ein Vermögen. Aber eben auch, ja: Die kleine hartnäckige Gewerkschaft streikt für Grundrechte, und sie darf das, wie ihr ein Gericht bestätigt hat. Entsprechend wären Vizekanzler Sigmar Gabriel (SPD) und Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) gut beraten, sich in ihren einseitigen Verurteilungen der Gewerkschaft zurückzuhalten — zumal sie ebenso wie die Bahn sehr durchsichtige eigene Interessen verfolgen.

Denn selbstverständlich hätte es die Deutsche Bahn AG schon lange in der Hand gehabt, in den jahrelangen Auseinandersetzungen vernünftige Einigungen herbeizuführen. Sie setzt sich zunehmend dem Verdacht aus, dass sie das gar nicht will, sondern es ihr nur noch darum geht, die GDL auf Kosten der Bahnkunden und des Wirtschaftsstandorts Deutschland auszuhungern.

Und zwar so lange, bis die große Koalition mit Gabriel und Dobrindt im Juli das „Tarifeinheitsgesetz“ verabschiedet, das es der Bahn dann erlauben würde, billigere Tarife mit der Bahngewerkschaft EVG auszuhandeln (bis das Bundesverfassungsgericht das Tarifeinheitsgesetz wieder kippt). Der Ärger der Bahnkunden sollte sich weniger einseitig gegen die Gewerkschaft richten.

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