Meinung Abschiebung von Sami A.: Der Rechtsstaat verhält sich wie ein Hütchenspieler

Das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen hatte am Donnerstagabend die Abschiebung verboten, weil Sami A., dem Ex-Leibwächter von Bin Laden, in Tunesien Folter drohe. Was dann folgt, gleicht einem Stück aus dem Tollhaus, eines Rechtsstaats nicht würdig. Ein Kommentar von Peter Kurz.

 Ein Flugzeug auf dem Vorfeld des Düsseldorfer Flughafens. Foto: Rolf Vennenbernd/Archiv

Ein Flugzeug auf dem Vorfeld des Düsseldorfer Flughafens. Foto: Rolf Vennenbernd/Archiv

Foto: Rolf Vennenbernd

Ein Tunesier, der als Gefährder überwacht wird, wird aus NRW in seine Heimat abgeschoben. Wer kann schon etwas dagegen haben? Zum Beispiel ein Gericht. Das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen hatte am Donnerstagabend die Abschiebung verboten, weil Sami A. in Tunesien Folter drohe. Was dann folgt, gleicht einem Stück aus dem Tollhaus, eines Rechtsstaats nicht würdig. Wie unseriöse Würfelspieler verwirren staatliche Stellen die Situation, zeigen mit dem Finger aufeinander und scheinen am Ende alle miteinander gar nicht so unzufrieden mit dem Ergebnis zu sein: Sami A. — aus den Augen, aus dem Sinn.

Die Kurzfassung der absurd anmutenden Chronologie geht so: Am Mittwoch, 11. Juli, urteilt das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen, dass die Abschiebungsandrohung gegen Sami A. rechtmäßig ist. Am 12. Juli urteilt eine andere Kammer des Gerichts, dass er doch nicht abgeschoben werden darf. Diese Entscheidung vom Donnerstagabend wird aber erst am Freitagmorgen per Fax an die Behörden geschickt. Die haben da längst gehandelt, Fakten geschaffen.

Ein Kommentar von Peter Kurz.

Bund und Land waschen ihre Hände in Unschuld. Der Bund sagt, NRW ist zuständig. Und NRW sagt: Wir haben doch auf die Gerichtsentscheidung vom Mittwoch vertraut, wonach die Abschiebungsandrohung rechtmäßig war. Will man damit wirklich sagen, dass man nicht wusste, dass gleichzeitig noch ein Verfahren gegen die Vollziehung der Abschiebung lief? Mit guten Erfolgsaussichten, weil die Bundesregierung seit Jahr und Tag kein Abkommen mit Tunesien hinbekommt, das die Folter von überstellten Landsleuten ausschließt. Haben das Bundesamt für Flüchtlinge und die Landesregierung dieses laufende Verfahren ignoriert, um schnell Tatsachen zu schaffen? Und „profitierte“ man dabei von der Arbeitsweise des Gerichts, seine Entscheidung erst mit Verzögerung kundzutun? Immerhin per Fax und nicht durch reitenden Boten.

So wünschenswert es ist, jemanden wie Sami A. loszuwerden, so elementar ist es doch auch, dass der Rechtsstaat nicht seine Grundsätze aufgibt: keine Abschiebung bei drohender Folter. Und: In einem Staat der Gewaltenteilung haben sich Behörden an Entscheidungen der Gerichte zu halten. Das ist keine Bagatelle. Das ist die Essenz unseres Gemeinwesens.

Und jetzt setzt Sami A. auch noch von Tunesien aus gerichtlich seine Rückkehr nach Deutschland durch. Absurd? Kaum absurder als das Schauspiel, das der Rechtsstaat bis hierhin schon aufgeführt hat.

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