Sami A.: Drohende Folter - Ministerium hält Zusagen aus Tunesien für nicht notwendig

Ein vergleichbarer Fall soll zeigen: Ob dem Ex-Bin Laden-Leibwächter Sami A. Folter droht, muss nicht erfragt werden.

Sami A.: Drohende Folter - Ministerium hält Zusagen aus Tunesien für nicht notwendig
Foto: dpa

Düsseldorf. Eine Anfrage an die tunesischen Behörden, ob dem aus NRW abgeschobenen Sami A. in Tunesien Folter drohe, hat es durch die betreffenden Ministerien wohl vor der Abschiebung des mutmaßlichen Ex-Leibwächters Osama bin Ladens nicht gegeben. Das geht aus einer Antwort des Ministeriums für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration (MKFFI) in NRW gegenüber unserer Zeitung hervor.

Demnach sei für „diplomatische Zusicherungen“ das Bundesministerium des Inneren zuständig, „sofern sie benötigt werden“. Als notwendig hat man diese Zusicherung aber wohl nicht angesehen: Das Bamf habe Ende Juni das Abschiebehindernis widerrufen. Darüber hinaus hätten dem MKFFI „der Lagebericht des Auswärtigen Amtes sowie Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts, Bundesverfassungsgerichts und des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte“ vorgelegen, die in einem wohl vergleichbaren Fall entschieden haben: Demnach sei „jüngst eine Abschiebung eines der Anschlagsbeteiligung verdächtigen Islamisten aus Hessen nach Tunesien“ gebilligt worden, „ohne hierfür besondere Zusagen zu verlangen“, teilte ein MKFFI-Sprecher mit.

Sami A. war am Freitag vergangener Woche abgeschoben worden, obwohl das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen entschieden hatte, dass dies nicht zulässig sei. Aus Sicht der Richter ist nicht auszuschließen, dass Sami A. in Tunesien gefoltert wird. Allerdings übermittelte das Gericht den Beschluss erst am Freitagmorgen, als Sami A. schon an Bord der Maschine nach Tunesien war.

Die Verwaltungsrichter bezeichnen die Abschiebung als „grob rechtswidrig“. Sami A. sei unverzüglich auf Kosten der Ausländerbehörde Bochum nach Deutschland zurückzuholen. Die Kosten für den Charterflug belaufen sich nach einem „Welt“-Bericht auf fast 35 000 Euro. An Bord des Geschäftsflugzeugs vom Typ Challenger 604 seien neben der Besatzung und Sami A. vier Bundespolizisten sowie ein Arzt gewesen.

Bereits am Mittwoch hatte die Ausländerbehörde der Stadt Bochum Beschwerde gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Gelsenkirchen eingelegt, der eine Verpflichtung zur Rückholung von Sami A. vorsieht. Das MKFFI habe die hierfür notwendige Begründung vorbereitet, hieß es aus dem Ministerium zum laufenden Verfahren.

Vor dem Hintergrund der möglicherweise rechtswidrigen Abschiebung hat Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier am Donnerstag das Rechtsstaatsprinzip hervorgehoben, ohne auf den konkreten Fall eingehen zu wollen. „Ich will nur sagen: Das Rechtsstaatsprinzip ist das, was uns von anderen Formen der Herrschaft — auch den sogenannten illiberalen Demokratien — unterscheidet. Die Unabhängigkeit der Richter und die Verbindlichkeit von gerichtlichen Entscheidungen — unabhängig davon, wie sie ausgegangen sind — ist eins der tragenden Prinzipien, die wir nicht aufgeben sollten“, sagte Steinmeier der „Passauer Neuen Presse“.

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