Verleihung Nobelpreise in Stockholm und Oslo überreicht - Protest gegen Handke

Stockholm · Eigentlich ist der Friedensnobelpreis der politische unter den Nobelpreisen. In diesem Jahr wird dagegen eine andere der Auszeichnungen zum Politikum.

 Abiy Ahmed, Ministerpräsident von Äthiopien, trägt sich im «Nobelprotokoll» ein in Gegenwart der Nobelkomitee-Mitglieder Abiy Ahmed (hinten,l-r), Berit Reiss-Andersen, Vorsitzende, Henrik Syse und Anne Henger. Am 10.12.2019 erhält Ahmed den Friedensnobelpreis in Oslo.

Abiy Ahmed, Ministerpräsident von Äthiopien, trägt sich im «Nobelprotokoll» ein in Gegenwart der Nobelkomitee-Mitglieder Abiy Ahmed (hinten,l-r), Berit Reiss-Andersen, Vorsitzende, Henrik Syse und Anne Henger. Am 10.12.2019 erhält Ahmed den Friedensnobelpreis in Oslo.

Foto: dpa/Tore Meek

Zwölf Wissenschaftler, zwei Literaten und ein Friedensstifter am Horn von Afrika haben am Dienstag die diesjährigen Nobelpreise erhalten. Nachdem der äthiopische Ministerpräsident Abiy Ahmed zunächst in Oslo mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet wurde, erhielten die Preisträger in den Kategorien Medizin, Physik, Chemie, Literatur und Wissenschaft ihre Nobelmedaillen am späten Nachmittag in Stockholm. Gegen die Nobelpreisvergabe an den Schriftsteller Peter Handke, dessen Haltung zum Jugoslawien-Konflikt eine heftige Debatte ausgelöst hatte, wurde am Abend parallel zum Nobelbankett in der Nähe der Veranstaltung protestiert.

Für die Auszeichnung von Abiy hatte es dagegen viel Lob gegeben. Der 43 Jahre alte Regierungschef Äthiopiens bedankte sich beim norwegischen Nobelkomitee für die Auszeichnung und wies darauf hin, wie schwierig es sei, langfristigen Frieden zu sichern. „Ich glaube, dass Frieden eine Herzensangelegenheit ist. Frieden ist eine Arbeit der Liebe. Frieden zu erhalten, das ist harte Arbeit“, sagte er.

Er nehme den Preis nicht nur im Namen seiner Landsleute entgegen, sondern auch für die Menschen im benachbarten Eritrea. Er dankte dem eritreischen Präsidenten Isaias Afwerki, dessen guter Wille, Vertrauen und Einsatz wesentlich für die Beendigung des 20 Jahre währenden Konflikts zwischen den beiden Ländern gewesen seien. „Wir haben verstanden, dass unsere Nationen keine Feinde sind. Stattdessen waren wir Opfer des gemeinsamen Feindes namens Armut“, sagte Abiy.

Äthiopien und Eritrea hatten 2018 unter Abiys Ägide Frieden geschlossen - nach rund 20 Jahren Feindschaft. „Sie haben die Initiative ergriffen und waren der Hauptarchitekt hinter den Friedensverhandlungen, die erfolgreich mit Eritrea geführt wurden“, sagte die Vorsitzende des Nobelkomitees, Berit Reiss-Andersen. Über den Friedensprozess hinaus habe sich Abiy zudem intensiv um demokratische Fortschritte in Äthiopien bemüht und Beiträge zu Friedens- und Versöhnungsprozessen in Ostafrika geleistet, etwa im Sudan oder zwischen Dschibuti und Eritrea.

Wie bei den Nobelpreisen üblich wurde der Friedenspreis als einziger in Oslo vergeben, während die restlichen Preisträger in Stockholm geehrt wurden. Da sich die zuständigen Komitees bei den wissenschaftlichen Nobelpreisen jeweils für die Maximalzahl von drei Preisträgern entschieden hatten und die Schwedische Akademie zudem Preisträger sowohl für 2018 als auch für 2019 kürte, wurde es bei der Verleihung in der schwedischen Hauptstadt diesmal überaus voll. Im Fokus stand dabei besonders einer, dessen Auszeichnung eine hitzige Debatte ausgelöst hatte: der Literaturnobelpreisträger Handke.

Handke hatte sich im Jugoslawien-Konflikt stark mit Serbien solidarisiert und nach Ansicht von Kritikern die von Serben begangenen Kriegsverbrechen bagatellisiert oder geleugnet. 2006 hielt er bei der Beerdigung des sechs Jahre zuvor gestürzten serbischen Führers Slobodan Milosevic eine Rede.

Protest gegen Handke

 Schriftsteller Peter Handke (l) aus Österreich, Nobelpreisträger für Literatur 2019, erhält den Nobelpreis von König Carl XVI. Gustaf von Schweden.

Schriftsteller Peter Handke (l) aus Österreich, Nobelpreisträger für Literatur 2019, erhält den Nobelpreis von König Carl XVI. Gustaf von Schweden.

Foto: dpa/Henrik Montgomery

Die Preisvergabe an ihn wurde deshalb vielfach kritisiert. Mehrere Länder, darunter das EU-Land Kroatien, Albanien und die Türkei, verzichteten aus Protest gegen Handke auf die Teilnahme ihrer Botschafter an der Preisverleihung. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan ging am Dienstag gar so weit, Handke als eine „rassistische Person“ und als „Mörder“ zu bezeichnen.

Vor Ort in Stockholm wurde am Abend gegen Handke protestiert. Auf dem etwas von den Nobelveranstaltungen entfernt liegendem Norrmalmstorg, auf dem bereits zu Balkankriegszeiten Kundgebungen gegen den Konflikt abgehalten worden waren, kamen zu Beginn des Protests einige Hundert Teilnehmer zusammen. Die Organisatoren hatten auf mindestens 500 gehofft, die Polizei vor Ort sprach zunächst von etwa 400.

„Handkes Literatur schreibt die Geschichte um, er stellt einen Genozid infrage, der bewiesen worden ist“, sagte eine der Initiatorinnen, Teufika Sabanovic, der Deutschen Presse-Agentur. Sie glaubte nicht daran, dass sich Handke eines Tages doch noch bei den Völkermordopfern entschuldigen werde. Handke habe bereits auf der Pressekonferenz in der Schwedischen Akademie am Freitag eine goldene Gelegenheit verstreichen lassen, auf Fragen zu seiner Haltung zum Jugoslawien-Konflikt angemessen zu antworten, sagte Sabanovic.

Akademie verteidigt Entscheidung

Die Akademie hatte ihre Entscheidung für Handke dagegen vehement verteidigt. Man müsse zwischen der Person und ihrem literarischen Werk unterscheiden, hatte sie erklärt. Handkes Gegner sahen das ganz anders. „Der Beschluss wird die Schwedische Akademie auf ewig verfolgen“, schrieb der Theaterregisseur und Schriftsteller Jasenko Selimovic, der 1992 als Flüchtling aus Sarajevo nach Schweden gekommen war, in der schwedischen Zeitung „Dagens Nyheter“.

Bei den wissenschaftlichen Nobelpreisen gibt es je drei Preisträger pro Kategorie: Gregg Semenza, William Kaelin und Peter Ratcliffe bekommen ihn in der Kategorie Medizin, Michel Mayor, Didier Queloz und James Peebles in Physik sowie John Goodenough, Stanley Whittingham und Akira Yoshino in Chemie. Der Wirtschaftsnobelpreis, der nicht zu den traditionellen, auf Dynamit-Erfinder Alfred Nobel zurückgehenden Preisen zählt, geht an Esther Duflo, ihren Ehemann Abhijit Banerjee sowie Michael Kremer.

(dpa)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Liebe und Hass in der Vorstadt
Peter Kurth und Peter Schneider ermitteln im „Polizeiruf“ nach einem Kindsmord in Halle/Saale Liebe und Hass in der Vorstadt
Zum Thema
Aus dem Ressort