Festival Parookaville: „Größenwachstum war eigentlich ein Unfall“

Weeze · Bernd Dicks, Mitgründer des Parookaville, spricht im Interview über die Entwicklung zum größten deutschen Festival für elektronische Musik.

 Bernd Dicks ist einer der drei Gründer von Parookaville.

Bernd Dicks ist einer der drei Gründer von Parookaville.

Foto: Gordon Binder-Eggert

Innerhalb von fünf Jahren haben Bernd Dicks, Norbert Bergers und Georg van Wickeren gemeinsam mit ihrem Team das Festival Parookaville am Flughafen Weeze von einer Beachparty zum größten deutschen Festival für elektronische Musik gemacht. Vom 19. bis 21. Juli startet die fünfte Auflage der Großveranstaltung am Niederrhein und ein Dauergast unter den DJs bringt eine besondere Aktion mit.

Parookaville ist eine Erfolgsgeschichte. Sie haben mit 25 000 Bürgern angefangen, inzwischen kommen an den drei Tagen jeweils 70 000 Besucher. Sind Sie überrascht, welche Größenordnung das Festival angenommen hat?

Bernd Dicks: Es gibt Momente, da müssen wir uns selber zwicken. Norbert Bergers, Georg van Wickeren (die Mitgründer, Anm. d. Red) und ich sind drei Jungs aus Weeze. 2011 wollten wir die Veranstaltungskultur unserer Gemeinde etwas aufpeppen, haben dazu eine Beachparty ins Leben gerufen. Damals kamen 5000 Leute, was angesichts der Weezer Einwohnerzahl von 10 000 amtlich ist. Der Rathausplatz wurde da schnell zu klein. Also wollten wir das Ganze auf den Flughafen transformieren. Für uns war das damals noch ein Hobby. Wir wollten eine Party organisieren, die wir selber feiern und hatten geplant, dass die Besucherzahl von 15 000 auf 25 000 und 30 000 steigt. Es wurden dann 25 000, 50 000 und 80 000. Damit haben wir nicht gerechnet. Das Größenwachstum war eigentlich ein Unfall.

Mit der zunehmenden Größe wachsen auch die Sicherheitsbestimmungen. Wie gehen Sie damit um?

Dicks: Durch meine frühere Tätigkeit als Journalist kenne ich viele Details – zum Beispiel über die Loveparade-Katastrophe. Sowas wollen wir nie mehr erleben. Wir haben bei uns keine Tunnel und keine Brücken, dafür sehr viel Freifläche. Die Besucher, von denen einige das Loveparade-Unglück erlebt haben, schätzen das. Wir sind mit den Behörden im ständigen Austausch, achten auf kleinste Details. Außerdem konnten wir auf das Sicherheitskonzept vom Q-Base aufbauen, das mehrere Jahre auf 25 000 Besucher ausgelegt war. Norbert Bergers und Georg van Wickeren sind darüber hinaus Einzelhandelsimmobilienentwickler und kennen sich extrem gut mit Fragen rund um Statik, Brandschutz und Rettungswegen aus.

Wie viele Sicherheitsleute sind während des Festivals im Einsatz?

Dicks: Die Anzahl der Sicherheitsleute regelt eine Vorgabe der Gemeinde. Wir versuchen qualitativ hochwertige Security-Unternehmen zu engagieren. Wir haben den Vorteil, dass wir durch den angrenzenden Flughafen ohnehin eine erhöhte Sicherheitsstufe haben. Das hat auch Auswirkungen auf den Verkehr.

Stichwort Verkehr – da gab es 2017 einige Probleme bei der Anreise. Wie sieht die Lösung aus?

Dicks: 2017 hatten wir am Donnerstag ein großes Problem. Da gibt es nichts schönzureden. Allerdings lag nicht alles in unseren Händen und dann kam noch ein schwerer Unfall auf der A57 dazu. Inzwischen arbeiten wir mit einem anderen Dienstleister zusammen, bieten mehrere Routen an, die wir Tage im Voraus ausschildern lassen. Flughafengäste bekommen eine eigene Route, damit sie ihren Flieger nicht mehr verpassen. Das ganze Konzept hat im vergangenen Jahr schon ganz gut funktioniert.

 Die Mainstage war im vergangenen Jahr zugleich die größte Bühne Europas.

Die Mainstage war im vergangenen Jahr zugleich die größte Bühne Europas.

Foto: Ralph Larmann

Das klingt alles sehr detailliert. Parookaville 2019 steigt in vier Wochen. Befassen Sie sich jetzt schon mit dem Festival in 2020?

Dicks: In gewissen Punkten schon. Zum Beispiel wird die Mainstage gerade geplant. Sie wird jedes Jahr neu entworfen, Teile des alten Designs werden dann in Nebenbühnen integriert. Und auch über das Line-Up für 2020 wird jetzt schon gesprochen. Unser Team arbeitet das ganze Jahr am Festival. Viele Besucher glauben, dass es mit den sechs Wochen Aufbau der Bühne getan wäre. Umso froher sind wir, dass wir seit einem Jahr in unserem neuen Büro in Weeze sind und die Leute sehen können, dass hier täglich gearbeitet wird. Außerdem zeigt es unsere Verbundenheit mit Weeze.

Apropos Bühnendesign. Wer ist dafür verantwortlich?

Dicks: Die Mainstage wird jedes Jahr von meinem Bruder Stefan und der inhouse Kreativagentur Büro Bora Bora entworfen. Gebaut wird sie von einer externen Firma, die auch die Statik prüft. Wir versuchen, den kreativen Part bei uns zu lassen und die praktischen Arbeiten anderweitig zu vergeben. Erstens denken wir sehr kreativ und zweitens wollen wir unserem eigenen Stil immer treu bleiben. Das geht inhouse natürlich immer am besten.

Im Parookaville steckt also eine Menge Arbeit. Wie hat sich seit dem Start vor fünf Jahren denn Ihr Leben verändert?

Dicks: Wir sind nach wie vor die drei Weezer Jungs und wir wollen bodenständig bleiben. Das Festival ermöglicht uns tolle Erfahrungen. Zuletzt habe ich ein Festival in Las Vegas besucht und dort mit dem Management von Steve Aoki Kontakt aufgenommen, weil wir mit ihm eine besondere Aktion für das diesjährigen Festival planen. Und plötzlich schreibt Steve Aoki zurück, fragt, ob ich nicht bei ihm zu Hause vorbeikommen will. Das sind Dinge, die erlebt man sonst nicht. Sie zeigen aber auch, dass wir gute Arbeit machen und wir sind dafür sehr dankbar.

Was haben Sie denn mit Steve Aoki geplant?

Dicks: Steve Aoki verkauft seit kurzem Pizzen in LA. Also haben wir uns gedacht, dass er das auch in Parookaville machen kann. Und er hat zugestimmt. Steve Aoki ist Dauergast in der Stadt. Bei allen Ausgaben des Festivals war er dabei.

Gibt es DJs, die sich selbst anbieten, weil sie unbedingt mal auf dem Parookaville spielen wollen?

Dicks: Es gibt weltweit nur wenige Festivals, wo die Artists wirklich sagen, dass sie gerne wiederkommen. Vor Kurzem gab es eine Umfrage im DJ Mag, in der weltweit DJs zu ihren Lieblings-Festivals befragt wurden. Parookaville steht auf Platz 15, ist somit das zweitbeliebteste Festival in Deutschland. Darauf sind wir stolz. Für uns ist es wichtig, einen engen Draht zum Künstler zu haben. Daraus können auch kreative Dinge entstehen wie in diesem Jahr der Auftritt „Queerbeat vs 257ers“. Oftmals haben wir aber auch mit den Managements zu kämpfen. Dann sagen die Künstler, dass sie gerne bei uns spielen würden, aber das Management sagt ab, weil wir zu wenig zahlen. Es gibt Festivals, die deutlich mehr Geld für Gagen in die Hände nehmen als wir. Bei denen sind allerdings auch die Produktionskosten niedriger. Den Wert hinter unserer Produktion und den aufwändigen Bühnen sollten auch die Künstler ein bisschen zu schätzen wissen. 2018 hatten wir beispielsweise die größte Bühne Europas. Da kann man nicht mehr allein über die Gage des Künstlers reden, da muss man die gesamte Produktion einbeziehen.

300 Künstler haben für 2019 zugesagt. Altbekannte Stars und auch Newcomer. Nach welchen Kriterien suchen Sie die Künstler aus?

Dicks: Das Artist-Team und ich sind viel unterwegs und schauen, wer interessant sein könnte. Dabei versuchen wir, die richtige Mischung für unser Publikum zu treffen, das im Durchschnitt 25 Jahre alt ist. Alle Künstler müssen zu Parookaville passen. Wir wollen eine ausgewogene Mischung anbieten.

 Das Gelände von Parookaville erstreckt sich über 625 000 Quadratmeter Campingfläche und 150 000 Quadratmeter Festivalfläche.

Das Gelände von Parookaville erstreckt sich über 625 000 Quadratmeter Campingfläche und 150 000 Quadratmeter Festivalfläche.

Foto: Parookaville

Nicht nur mehr DJs, sondern auch mehr Sponsoren haben Parookaville inzwischen auf dem Schirm. Müssen Sie da auch schon selektieren?

Dicks: Für Großsponsoren gibt es schon noch Platz. Allerdings muss eine gewisse Wertigkeit da sein. Und das Konzept muss zu uns passen. Wir wollen mit den Sponsoren etwas Besonderes auf die Beine stellen und die Module der Partner bestmöglich in die City of Parookaville integrieren wie zum Beispiel die Warsteiner-Church, eine Standardbiertheke wollen wir in Parookaville nicht haben.

Gibt es denn Bestrebungen, das Festival zu vergrößern, wenn mehr Sponsoren einsteigen oder sollte das Parookaville so bleiben wie es ist?

Dicks: Diese Frage stellen wir uns jedes Jahr. Wir haben auch unsere Besucher dazu befragt. Und es gibt internationale Umfragen, die besagen, dass Großveranstaltungen durchaus ihren Charme haben. Zum Beispiel das Erlebnis in einer großen Menschenmenge zu stehen und gemeinsam zu singen – wie etwa im dritten Parookaville-Jahr (2017), als beim Konzert von Showtek 40 000 Menschen gemeinsam „In the End“ von Linkin Park angestimmt haben, nachdem Chester Bennington gestorben war. Wir könnten theoretisch größer werden, wir sind aktuell aber sehr glücklich mit dem Ausmaß des Festivals.

Was gibt es denn an Neuerungen in diesem Jahr?

Dicks: Die beiden Side-Stages werden neu designed. Die werden richtig schick. Ein paar Teile aus alten Mainstages werden darin wiederzuerkennen sein. Neu ist in diesem Jahr auch ein Karaokebus, in dem sich die Leute die Seele aus dem Leib singen können. Und wir wollen ein paar Prominente dazu verpflichten, sich einfach mit Aktionen einzubringen. Evil Jared von der Bloodhound Gang zum Beispiel kommt in diesem Jahr und hat selbst vorgeschlagen, auf der Campsite mit den Gästen Beer Pong zu spielen. Aber es gibt auch viele Prominente, von denen wir gar nichts mitbekommen. Es ist aber schon erstaunlich, dass Weeze mit seinen 10 000 Einwohnern so eine Aufmerksamkeit bekommt.

Was sagen denn die Weezer Einwohner dazu?

Dicks: Das ist eine ganz wichtige Geschichte. Wir wollen die Leute mit einbeziehen, sei es der Fußballverein, der uns hilft, sechs Kilometer Lichterketten zu verlegen und dafür Freitickets erhält oder auch die örtliche Wirtschaft. Wir beziehen die örtlichen Betriebe so gut es geht mit ein. In den vergangenen zweieinhalb Jahren haben wir 7,2 Millionen Euro in Unternehmen in Weeze und Umgebung investiert. Das ist uns wichtig, weil wir mit Parookaville Weeze auf die Landkarte bringen können. Das ist ein Effekt, den wir für unsere Heimatgemeinde sehr gerne mitnehmen.

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