Neues von der Kampfamazone

Thriller: Angelina Jolie zementiert als vermeintliche Doppelagentin „Salt“ ihr Image als makellose Action-Maschine.

Wenn es eine Rolle gibt, die man Angelina Jolie abnimmt, dann die einer kühl kalkulierenden Kampfmaschine, programmiert auf Effektivität und getrimmt auf Überleben. Allein wie sie Menschen mit ihren riesigen Augen zu fixieren vermag - emotionslos und doch aufmerksam, wie ein wildes Tier, kurz bevor es seine Beute reißt -, macht sie zur Top-Besetzung für jeden doppelbödigen Verschwörungsthriller.

Zu ihrer Rolle als umstrittene CIA-Agentin Evelyn Salt soll sie gekommen sein, weil sie mit einer hohen Offiziellen bei Sony den Running Gag pflegte, dass sie der nächste James Bond sein müsse. Selbst ihn, den Urvater aller Filmspione, würde man Jolie wahrscheinlich eher abnehmen als so manchem hoch gehandelten männlichen Kollegen.

Jolies größtes Kapital, ihre scheinbar angeborene testoste-ronstrotzende Ausstrahlung, ist aber zugleich auch ihr größtes Manko. Je länger man sie in einem Film beobachtet, desto mehr hat man den Eindruck, einem Automaten beim makellosen Funktionieren zuzuschauen.

Menschliche Regungen sind da nur Aussetzer. Als Lara Croft in den "Tomb Raider"-Filmen begründete sie dieses überirdische Image, mit "Wanted", einem gewalt-verherrlichenden Action-Schmarren aus dem Jahr 2007, perfektionierte sie es. Ihre aktuelle Rolle als Geheimdienst-Veteranin Evelyn Salt zwischen den wieder erstarkenden Fronten des Kalten Krieges ist da nur eine weitere Variation.

Gleich zu Beginn, wenn sie einen russischen Agenten verhört und dabei ihr unheilvoll rollender Blick auf dem Vernehmungsobjekt ruht, funktioniert der Automat schon wieder prächtig.

Mit arrogant verzogenen Mundwinkeln hört sie sich die Geschichte vom Tag X an, einem Verschwörungsmythos, der besagt, dass mehrere russische Schläferzellen seit gut 35 Jahren in den USA schlummern und darauf warten, an einem einzigen Tag einen vernichtenden Erstschlag gegen den einstigen Erzfeind zu starten. Amüsiert tut sie die Informationen als Horror-Mär ab, bis der Agent den Namen der Person nennt, die den Stein ins Rollen bringen soll: Evelyn Salt.

Erstaunlich an "Salt" ist, dass die Geschichte auf nichts beruht, worauf sich Filmstudios zurzeit gerne verlassen. Hier hat es eine gute Idee mal wieder direkt auf die Leinwand geschafft, ohne vorher ein Bestseller-Thriller, eine Comic-Reihe oder ein Computerspiel gewesen zu sein.

Der interessante Ausgangspunkt, eine russische Schläferin in den Reihen der CIA und ihre strategische Enttarnung, ist dann allerdings auch das einzig wirklich Innovative an diesem Action-Vehikel. Genre-Spezialist Phillip Noyce ("Die Stunde der Patrioten", "Sliver") verkünstelt sich zu sehr mit den Materialschlacht-Sequenzen, statt auch den persönlichen Hintergrund der Hauptfigur angemessen zu beleuchten, obwohl das Drehbuch das durchaus versucht.

Dadurch wirken die Rückblenden, in denen die Kindheit von Evelyn Salt und die Beziehung zu ihrem Ehemann (August Diehl) geschildert werden, wie unfreiwillig komische Fremdkörper - es sind lediglich schablonenhafte Emotionen, bevor die nächste Feuersbrunst losbricht. Jolies Aura als reine Actionfigur tut da ihr Übriges.

Virtuos, fast schon überambitioniert geraten dagegen die Action-Momente. Noyce kann immer noch mitreißend und plastisch inszenieren. Selbst die waghalsigsten Szenen sind trotz Reizüberflutung gut nachvollziehbar. Als Gesamtpaket wäre "Salt" wohl konsequenter gewesen ohne den Versuch, ein Psychogramm der Hauptfigur zeichnen zu wollen. Ein Automat macht nur dann Spaß, wenn seine Abläufe reibungslos vonstatten gehen.

Wertung: 3 von 5 Punkten

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