Das Kino zerhackt die Filme

Die großen Kinoketten führen neue Sitten ein: Sie unterbrechen die Streifen durch eine Pause und deklarieren das als Service.

Krefeld. Im Fernsehen haben wir uns längst damit abgefunden: Die Titanic sinkt mit Zwischenstopp, und auf der Reise durch Mittelerde gibt es manch unvorhergesehene Rast. Filme werden zerhackt, bis zwischen Schokoriegelwerbung und Sat.1-CD-Tipp jeder Zauber verpufft. Das Kino galt lange als geschützter Raum: Wenn im Saal das Licht ausgeht, öffnet sich eine andere Welt, und erst der Abspann entlässt uns wieder in die Wirklichkeit.

Diese Zeiten scheinen vorbei zu sein. Immer häufiger unterbrechen gerade die großen Kinoketten Filme durch eine Pause - und längst nicht nur bei Drei-Stunden-Schinken. Aktuelles Beispiel ist das faszinierende Rätselspiel "Inception" mit Leonardo DiCaprio. In der dramatischsten Szene des Films - einem tragischen Fenstersturz - geht im Cinemaxx Krefeld das Licht an. Im Publikum sorgt das für kollektives Aufstöhnen. Das Gerenne zu Toilette und Popcorn-Theke beginnt, erst nach 15 Minuten wird weiter gelitten, gekämpft und gestorben.

Den Verleihern ist das ein Dorn im Auge. "Die Pausen sind völlig daneben und für das Publikum sehr nervig", sagt Peter Sundarp, im Vorstand beim Verband der Filmverleiher (VdF) in Berlin. "In der Regel untersagen wir den Kinos, Pausen einzufügen. Aber sie tun es trotzdem."

Und zwar ganz unsensibel mit der Heckenschere: "Jedes Kino sucht selbst die Stelle aus und erwischt oft den schlechtesten Moment. Mir ist es dann regelrecht peinlich, wenn ich als Verleiher mit im Kino sitze", sagt Sundarp.

Die Multiplex-Ketten hingegen sehen sich als aufrechte Verfechter des Servicegedankens. Bei der Cinemaxx AG, wo bei jedem Film zentral über eine Pause entschieden wird, geht es laut Sprecher Arne Schmidt um den "erwarteten Unruhe-Effekt". Man wolle gerade sehr jungen oder älteren Menschen die Chance geben, "sich kurz die Beine zu vertreten" und auf Toilette zu gehen.

Dass man es dabei nie allen Gästen gleichermaßen Recht machen kann, räumt Schmidt ein. "Wir versuchen mit viel Fingerspitzengefühl im Sinne der Mehrzahl unserer Gäste zu handeln." Die Frage der Pausen werde wohl "auch in der nächsten Generation noch kontrovers diskutiert".

Mitbewerber Cinestar hat zu dem Thema sogar Marktforschung betrieben. Seine Erkenntnis: Gerade bei langen Familienfilmen wünschten sich viele Zuschauer eine Unterbrechung, damit die Kinder auf Toilette gehen könnten. Laut Oliver Fock, Geschäftsführer der Cinestar-Gruppe, spielen auch Raucherpausen eine Rolle.

Im Fall von "Inception" hat sich Cinestar bewusst gegen eine Unterbrechung entschieden. "Der Film ist inhaltlich sehr komplex und damit für eine Pause ungeeignet", sagt Fock. Dem Vernehmen nach sieht das auch der Verleih Warner in Hamburg so, nimmt die Zerteilung seines Films bei einigen Ketten aber letztlich notgedrungen hin.

Die Kinobetreiber, in den vergangenen Jahren nicht gerade erfolgsverwöhnt, nutzen die Pausen wohl auch als zusätzliche Einnahmequelle beim Getränke- und Speisenverkauf. "Leider gilt das aber angesichts des höheren Personaleinsatzes nicht immer", sagt Cinemaxx-Sprecher Schmidt. Angesichts der ruckartigen Pause bei "Inception" dürfte vielen Zuschauern ohnehin der Appetit auf Popcorn vergangen sein.

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