Mein Stadion, meine Stars, mein TV-Vertrag

Warum der hochdotierte, neue englische TV-Vertrag eine ungute Entwicklung des Fußballs bedeutet - und die deutsche Liga panisch reagiert. Eine Analyse.

Der Bezahlsender Sky wird auch in Deutschland immer mächtiger.

Der Bezahlsender Sky wird auch in Deutschland immer mächtiger.

Foto: Jochen Lübke

Düsseldorf. Der Mann, der Christian Seifert in Deutschland ist, Geschäftsführer der Deutschen Fußball Liga, ist in England Richard Scudamore. 55 Jahre alt, hoher Scheitel, verbindlicher Auftritt. Einer, der sein Geschäft zu verstehen scheint: Gerade hat er einen milliardenschweren Fernsehvertrag für die englische Premier League abgeschlossen, seither ist die Fußball-Seele in England gespalten und jene in Deutschland in Aufruhr:

Von 2016 bis 2019 kassiert die englische Liga 6,9 Milliarden Euro — exklusive der Auslandsrechte. Zum Vergleich: In Deutschland läuft der bestehende und seinerzeit bejubelte Vierjahresvertrag mit einem Gesamtvolumen von 2,51 Milliarden Euro im Sommer 2017 aus — inklusive der Auslandsrechte.

Wie die „Welt" errechnete, werden damit die 20 englischen Vereine schon bald zu den 40 reichsten Clubs weltweit gehören. Reichtum, den sie vor allem den besonderen Verhältnissen in Großbritannien zu verdanken haben: Während in Deutschland der Rechteinhaber Sky als Bezahl-TV mit langem Durchhaltewillen und durch alle Rote Zahlen einen Stamm von 4 Millionen Kunden aufgebaut hat, zählen die beiden großen Anbieter in England 15 Millionen Abonnenten.

Für ihre Kunden überboten sich British Telecommunications und Sky in diesem wahnwitzigen Wettstreit und teilten das Feld am Ende auf. Was das für Clubs und Liga heißt, ist klar: Mehr Topstars, aber auch mehr mittelmäßige Fußballer, die Millionensummen kosten, aber eigentlich nicht verdienen.

Und: Mehr Glanz in neuen Stadien, aber auch ganz viel Leerlauf für den eigenen Nachwuchs. Denn auch das gehört zur Wahrheit: Über die Internationalisierung der englischen Liga und ihren Vorsprung durch früh begonnene und konsequente Vermarktung ist die englische Fußball-Nationalmannschaft immer schlechter geworden - weil den Talenten die Plätze fehlen.

Und am Ende gilt die Erkenntnis, die Bayer Leverkusens Trainer Roger Schmidt gerne aufwärmt, wenn es um Chancengleichheit geht: „Am Ende können auch beim Gegner nur elf Akteure spielen." Eine Relativierung der verrutschten Verhältnisse, die sich ganz gut nährt: Englische Clubs sind auch bislang besser ausgestattet gewesen — und dominieren doch nicht automatisch den europäischen Vereinsfußball.

Umso bemerkenswerter ist die Reaktion in der Bundesliga. Kaum war die Kunde der englischen Geldvermehrung da, schon hetzte die deutsche Liga hechelnd hinterher. Schalkes Manager Horst Held beklagte, dass „der Letzte in England mehr bekommt als der Erste in Deutschland" und schloss: „Man muss über viele Dinge nachdenken, wie man die große Lücke schließen kann." Gladbachs Manager Max Eberl will „unter Umständen mit Traditionen brechen, um im Wettbewerb mithalten zu können". Und Wolfsburgs Klaus Allofs analysierte griffig: „Ich denke, die Preise werden, was Gehälter und Transfers angeht, steigen. Daher wäre es wünschenswert, wenn die Bundesliga das gleiche Geld erhält, damit wir Schritt halten können." Seine Empfehlung: „Es müssen in Deutschland einfach mehr Menschen Pay-TV schauen." Punkt.

Wenn die DFL im April 2016 den neuen TV-Vertrag aushandelt, kommt alles auf den Prüfstand, um das Produkt für das Bezahl-TV noch teurer zu machen: Die Liga wird sich um Konkurrenz für Bieter Sky bemühen, wird ihre Auslandsvermarktung — derzeit Thema Nummer 1 bei DFL-Chef Seifert — weiter vorantreiben und auch wieder manche heilige Kuh vor sich hertreiben: Kaum mehr Bilder im Free-TV, eine weitere Zerfaserung der Spieltage, obwohl schon jetzt die neun Spiele der Bundesliga zu fünf verschiedenen Zeiten angepfiffen werden. Seifert nimmt schon Fahrt auf, wenn er sagt: „Wir befinden uns in einem Verdrängungswettbewerb der Ligen." Und fragt: "Sind wir auch bereit für unpopuläre Maßnahmen?"

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort