Allergie gegen die Top-Teams

Leipzig beendet Dortmunds Heimserie, weil der BVB in der Defensive überfordert ist. Wie schon gegen Tottenham und Madrid.

Allergie gegen die Top-Teams
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Dortmund. Fußball? Damit alleine würde man dem spektakulären 2:3 (1:2) zwischen Borussia Dortmund und RB Leipzig nicht annähernd gerecht. Das war beste Unterhaltung, perfekte Werbung für eine der beliebtesten Sportarten der Welt. Nach dem leidenschaftlichen Hochgeschwindigkeitsduell mit wunderschönen Toren, vielen prickelnden Strafraumszenen, zwei Platzverweisen, zwei Elfmetern, strittigen Szenen und dem Einsatz des Videobeweises kam man aus dem Schwärmen gar nicht heraus. Vorausgesetzt, man ist neutraler Fußballfan. Oder der Trainer der siegreichen Mannschaft. Leipzigs Ralph Hasenhüttl begeisterte sich jedenfalls: „Das war ein Schlagabtausch vom Feinsten.“

Sieht man beim Gastgeber anders. Nach 41 nicht verlorenen Spielen in Folge ist die großartige Heimserie des BVB gerissen. Zuletzt hatte Bayern München am 4. April 2015 in der Meisterschaft drei Punkte aus Dortmund entführt. Jetzt waren es die Ostdeutschen. „Leipzig hat zurecht gewonnen“, sagte Peter Bosz.

Warum aber verliert die Borussia immer die Topspiele, kassiert dabei jeweils drei Tore und wackelt dabei in der Abwehr wie ein Turm aus Legosteinen, der ein paar Klötzchen zuviel aufgesteckt bekommen hat? In der Champions League war es so gegen Tottenham und gegen Madrid, in der Liga nun gegen Leipzig. Mannschaften mit hohem Niveau bestrafen die vielen Dortmunder Unzulänglichkeiten im Abwehrverhalten gnadenlos.

Die Gäste pressten, als gäbe es kein Morgen. Ein Stilmittel, mit dem der spielerisch arg limitierte Defensivverbund so gar nicht umzugehen wusste, obwohl der BVB früh durch Pierre-Emerick Aubameyang in Führung gegangen war (4.). Der Gabuner traf per Foulelfmeter später auch zum 2:3 (64.). Oft blieben nur Rückpässe auf Torhüter Roman Bürki oder lange Bälle nach vorne. „Das war kein guter Fußball!“, sagte Bosz, der nach missglückter erster Hälfte eine taktische Fehlplanung eingestand und von einer Vierer- auf eine Dreierabwehrkette umstellte. Sokratis´ Rote Karte nach einem Trikotzupfer gegen Augustin machte aber alle Korrektur-Pläne zunichte (49.), auch wenn der Leipziger Stefan Ilsanker (Gelb-Rot, 56.) wenig später ebenfalls vom Platz musste.

Peter Bosz, BVB-Trainer

Für Dortmund spricht, dass die Moral auch nach dem 1:3-Rückstand nicht im Keller war und man sich für sein Engagement fast noch mit einem Punkt belohnt hätte. Als Pierre-Emerick Aubameyang in der Nachspielzeit an Torhüter Peter Gulacsi scheiterte, war das Thema aber durch.

Einfach abhaken kann und wird Schwarz-Gelb die Partie nicht, auch wenn morgen (20.45 Uhr) in Nikosia schon die nächste Aufgabe in der Champions League ansteht. Vor allem das massive Tempodefizit in der Abwehr lässt wenig optimistisch in die kommenden Wochen schauen. Jeremy Toljan hat in keiner Sekunde nachgewiesen, dass seine Verpflichtung ein Glücksgriff war. Vor dem 1:1 von Marcel Sabitzer (10.) und dem 1:2 von Yussuf Poulsen (25.) patzte der Neuzugang aus Hoffenheim erschreckend. Ömer Toprak ist nur ein Schatten seiner selbst, und Sokratis war damit überfordert, die Fehler seiner Nebenspieler auszubügeln.

Direkt davor sieht es nicht besser aus. Nuri Sahin braucht Raum und Platz für sein Spiel. Den gab ihm Leipzig nicht. Der eingewechselte Julian Weigl („Es tut mir furchtbar leid“) leitete mit einem Fehler das 1:3 von Augustin ein. Und die Kritik an Torhüter Roman Bürki dürfte auch nicht weniger werden. Zumindest am ersten Gegentor war er maßgeblich beteiligt, vor dem zweiten flutschte ihm die Hereingabe von Bruma durch die Beine.

Alarm beim BVB, und Peter Bosz ist zum ersten Mal so richtig gefordert. Weniger als Psychologe, sondern indem er dem vorhandenen Personal eine Balance gibt, welche den BVB auch gegen stärkere Gegner bestehen lässt. Sein Vorgänger Thomas Tuchel hatte das drauf.

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