„Hängende Gärten“ in Hohenheim Wo die Bäume nicht zur Sonne wachsen

Hohenheim (dpa) - Die Fassade an der Universität Hohenheim sieht echt schräg aus. Da wachsen Bäume aus der Gebäudewand, doch sie ranken sich nicht der Sonne entgegen, wie das Pflanzen gemeinhin tun - sie sprießen waagrecht ins Nichts hinein.

„Hängende Gärten“ in Hohenheim: Wo die Bäume nicht zur Sonne wachsen
Foto: dpa

„Es ist wunderschön anzusehen“, meint Wissenschaftsministerin Theresia Bauer von den Grünen. Der „vertikale Hightech-Garten“, wie Alina Schick vom Startup „Visioverdis“ ihr Werk nennt, soll den Smog in überlasteten Städten bekämpfen, die Luft kühlen und zugleich den Verkehrslärm vermindern. Doch können die „hängenden Gärten“ tatsächlich eine Wunderwaffe sein?

Im Kampf gegen Luftverschmutzung in den Städten werden Fassadenbegrünungen zwar schon seit längerem eingesetzt, doch Schick und ihrem Startup ist es jetzt gelungen, auch größere Pflanzen an einer Fassade zu installieren - samt mannshoher und permanent rotierender Ligusterbäume und raffinierter Computer-Steuerung. Thomas Nehls, Stadtökologe von der Technischen Universität Berlin, spricht von einer „neuen Dimension der Fassadenbegrünung“. „Eine Gebäudewand dreidimensional zu gestalten, das ist schon etwas Neues.“ Doch was die tatsächlichen Effekte auf die Luftreinigung angeht - da ist der Direktor des Center for Innovation and Science on Building Greening (CIBG) an der TU-Berlin durchaus skeptisch.

Laut Schick, die studierte Biologin mit Schwerpunkt Gravitationsbotanik ist, profitieren die Pflanzen von der Drehbewegung und dem waagrechten Wachstum. So tragen Ligusterbäume normalerweise nur an den Zweigspitzen frisches Laub, ihre rotierenden Artgenossen an der Fassade aber seien bis ins Innere der Kronen begrünt. Der Grund: Die permanente Rotation bewirke, dass die Bäume und Sträucher von allen Seiten Sonnenlicht erhalten. „Das beschert den Bäumchen etwa die doppelte Blattmasse.“

„Wir bauen in den Städten immer dichter“, meint die grüne Ministerin. „Da brauchen wir neue Lösungen“. Nach den Worten Schicks haben die Pflanzen an der Wand gleich mehrere Effekte: „Sie spenden Schatten und kühlen durch Verdunstungskälte. Sie filtern die Luft und dämmen den Verkehrslärm.“

Geschäftlich hat „Visioverdis“ vor allem die völlig überlasteten Mega-Städte Asiens im Visier. 9900 Euro koste derzeit etwa 1,5 Quadratmeter grüner Vertikal-Fassade samt rotierenden Ligusterbäumchen, sagt sie. „Doch bis September entwickeln wir eine weitere, grazilere Version“, kündigt sie an. Die solle dann nur noch rund 7500 Euro kosten. Die Zukunft ihres Startups sieht sie optimistisch. Es gebe bereits reichlich Anfragen aus Asien und den Golf-Staaten.

Auch Nehls, der Stadtökologe aus Berlin, sieht positive Wirkung durch Fassadenbegrünung. Gerade auch kleinere Grünflächen, die wichtig seien für die Ökologie, würden in großen Städten seit Jahren vernichtet: Wiesen auf Hinterhöfen und zwischen Häuserreihen etwa würden immer mehr zubetoniert, vor allem um Kosten für die Pflege zu sparen. „Doch das Grün ist wichtig für den Menschen. Der Mensch liebt das Grün.“ Der Anblick von Pflanzen, Sträuchern und Bäumen beruhige den Menschen. Auch gebe es bei Fassadenbegrünung wohl leichte Kühlungseffekte.

Dagegen seien die tatsächlichen Folgen für Smog und Umweltverschmutzung noch recht ungeklärt, betont Nehls. Zwar lasse sich nachweisen, dass sich Rußpartikel auf Oberflächen von Pflanzen ablagern. Doch daraus auf eine spürbare Verbesserung der Luftqualität zu schließen, sei wissenschaftlich nicht haltbar. „Es gibt keinen wirklichen Beweis, dass Pflanzen die Luftqualität in Städten signifikant verbessern.“

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