Gastbeitrag : Plädoyer gegen ein Twitter-Verbot für Behörden
Düsseldorf Eine Gegenrede zu der Forderung der Datenschützer von Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen.
Ein Sprecher der NRW-Datenschutzbeauftragten Helga Block hatte am 10. Januar in dieser Zeitung vor der behördlichen Nutzung sozialer Netzwerke gewarnt. Damit hatte sich die Datenschützerin den Bedenken ihres baden-württembergischen Amtskollegen Stefan Brink angeschlossen. In einem Gastbeitrag lesen Sie die Gegenrede von Christiane Germann (s. Infokasten „Zur Person“):
In den meisten deutschen Behörden ist es zwischen Weihnachten und Neujahr recht ruhig. Dieses Jahr platzte in die beschauliche Urlaubszeit eine Verlautbarung des baden-württembergischen Datenschutzbeauftragten Stefan Brink: Er werde im Januar seinen erfolgreichen Twitter-Kanal schließen. Und andere Behörden im Ländle müssten ihm folgen, zur Not per Anordnung.
Die ersten Reaktionen auf diese Initiative reichten von belustigt (Digitalexpertinnen und -experten) bis verunsichert (Social-Media-Verantwortliche in Behörden). Warum? Weil Social-Media-Plattformen heutzutage zu den selbstverständlichen Kommunikationskanälen fast jeder deutschen Behörde gehören. Bereits vor zehn Jahren realisierten Ämter: Wir müssen dorthin, wo unsere Bürgerinnen und Bürger sind – zu Facebook, Twitter und Instagram.
Seither ist viel passiert: Wenn die Bundespolizei im Jahr 2020 ein Bild bei Instagram postet, erhält sie dafür regelmäßig „Likes“ in fünfstelliger Höhe. Bürgermeisterinnen und Bürgermeister halten „WhatsApp-Sprechstunden“ ab. Rund 90 000 Menschen haben die Stadt Dortmund bei Twitter abonniert – und selbst dem eingangs genannten Datenschutzbeauftragten folgen dort über 5000 Menschen freiwillig. Die Polizei sucht über soziale Netzwerke Täter und Zeugen, die Bundeswehr rekrutiert dort ihr Personal, Kommunen informieren über städtische Veranstaltungen, neue Vorschriften und Angebote. Social Media ist hochoffizielle behördliche Aufgabe geworden: Der Begriff taucht längst in den Bezeichnungen für Referate und Abteilungen in den Organisationsplänen von Ministerien auf. Kurzum: Behördliche Arbeit – zumindest die, die Kommunikation mit der Öffentlichkeit voraussetzt – ist ohne soziale Netzwerke kaum noch denkbar.
Doch ist sie rechtswidrig? Das ist unklar – die Meinungen von Juristinnen und Juristen gehen hier auseinander. Behördliche Öffentlichkeitsarbeit – wie weit darf sie gehen, wo darf sie stattfinden? – hat in Deutschland keine spezielle und erst recht keine aktuelle Rechtsgrundlage. Social-Media-Kommunikation ist Ämtern daher weder ausdrücklich erlaubt, noch ausdrücklich verboten. Auch die 2018 in Kraft getretene Datenschutzgrundverordnung schafft keine Klarheit: Die großen Plattformbetreiber wie Facebook und Twitter sagen, dass sie die DSGVO selbstverständlich einhalten. Die deutschen Datenschutzbehörden trauen dieser Aussage nicht, können aber auch das Gegenteil nicht beweisen. Da sie jüngst Kompetenzen und Befugnisse hinzu gewonnen haben, möchten einzelne nun jedoch die Chance nutzen, den datensammelnden Konzernen das Leben schwerer zu machen. Notfalls über den „Umweg“, ihren Nutzern die Nutzung zu verbieten und dann mal zu schauen, was die Gerichte sagen.