Vergleich Das sind die Änderungen im neuen NRW-Polizeigesetz

Düsseldorf · Zunächst gab es viel Kritik. Nun legt Schwarz-Gelb den Experten einen nachgebesserten Entwurf des neuen Polizeigesetzes vor. Ein Vergleich des ersten mit dem neuen Entwurf.

 Die Polizei in NRW bekommt neue Befugnisse.

Die Polizei in NRW bekommt neue Befugnisse.

Foto: dpa/Oliver Berg

Zweiter Versuch: Nach öffentlichen Protesten und deutlicher Expertenkritik hatte die schwarz-gelbe Mehrheit im NRW-Landtag Anfang Oktober einen abgeschwächten Entwurf für ein neues Polizeigesetz vorgestellt. Ziel des Gesetzes ist freilich nach wie vor, der Polizei mehr Befugnisse an die Hand zu geben, um zunehmender terroristischer Gefahr und Alltagskriminalität effektiver begegnen zu können. Vorbeugend, also bevor solche Taten begangenen werden. In einer Anhörung im Landtag sollen am Dienstag ein weiteres Mal Rechtsprofessoren, Polizeipraktiker und Verbände ihre Meinung äußern, wie sie zu diesem veränderten Entwurf stehen. Hier ein Vergleich des ersten mit dem neuen Entwurf:

Eine bloß drohende Gefahr soll nicht ausreichen

§ 8 des Polizeigesetzes enthält die zentrale grundsätzliche Regelung dafür, ob und wann die Polizei generell Maßnahmen gegen Einzelne vornehmen darf, um Straftaten zu verhindern. Bislang bedarf es dafür einen konkreten Gefahr, die von demjenigen ausgeht, gegen den da vorgegangen werden soll. Nach dem zunächst von Innenminister Herbert Reul (CDU) vorgelegten Gesetzentwurf sollte diese Eingriffsbefugnis deutlich ausgedehnt werden. Schon bei bloß drohender Gefahr sollte die Polizei tätig werden dürfen. Das führte zu heftigem Protest. Kritiker fürchteten eine massive Ausweitung polizeilicher Befugnisse. Es dürfe nicht sein, dass man der Polizei bereits dann Eingriffsbefugnisse gegen den Bürger einräumt, wenn ein bloßer Verdacht besteht, dass irgendwann in ungewisser Zukunft eine Gefahr von ihm ausgehen könnte. Das sei viel zu unkonkret und erweitere polizeiliche Rechte ins Unkontrollierbare.

Nach der heftigen Kritik wird dieser Plan fallen gelassen. Grundsätzlich bedarf es also weiterhin für eine polizeiliche Maßnahme einer konkreten Gefahr. Mit Blick auf die Bekämpfung terroristischer Gefahren ist es aber durchaus möglich, bestimmte Vorfeldmaßnahmen durchzuführen (siehe unten Aufenthaltsvorgabe). Andere Pläne für das neue Polizeigesetz wurden teilweise abgemildert oder modifiziert.

Wann darf die Polizei jemanden anhalten und kontrollieren?

Nach den Plänen darf die Polizei „im öffentlichen Verkehrsraum“ Personen anhalten, sie befragen und ihre Identität feststellen – auch wenn der so Kontrollierte selbst gar keinen Anlass für diese Überprüfung gesetzt hat. Solche unter dem Stichwort „Strategische Fahndung“ laufenden verdachts- und verhaltensunabhängigen Identitätsfeststellungen in vorher bestimmten Gebieten dürfen für 28 Tage angeordnet werden. Verlängerung möglich. Voraussetzung: Es muss einen Anlass für diese Fahndung geben. Nämlich Anhaltspunkte dafür, dass in dem örtlich definierten Bereich Straftaten von erheblicher Bedeutung begangen werden.

Die in diesem Rahmen Kontrollierten müssen es sich gefallen lassen, dass die von ihnen mitgeführten Fahrzeuge (etwa Wohnwagen) und Sachen in Augenschein genommen werden. Und die Polizei kann auch verlangen, dass diese geöffnet werden. Es wird aber klargestellt, dass eine Durchsuchung nicht auf den neuen § 12 a gestützt werden kann. Für Durchsuchungen gelten spezielle polizeirechtliche Regeln. Fraglich bleibt aber, wie sich die beschriebene Inaugenscheinnahme von einer Durchsuchung abgrenzen lässt.

Videobeobachtung: Einsatzbereite Polizei muss in der Nähe sein

Eine Videobeobachtung soll an öffentlich zugänglichen Orten stattfinden dürfen, wenn „tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass dort Straftaten von erheblicher Bedeutung verabredet, vorbereitet oder begangen werden“. Kritiker befürchten, dass damit an potenziell jedem öffentlichen Ort Videoüberwachung stattfinden kann. Sie warnen vor Speicherung der Aufnahmen.

In der Begründung zum neuen Gesetzentwurf wird betont, dass es gerade nicht um eine Videoüberwachung geht, sondern um eine Videobeobachtung. Unterschied: Bei der Videoüberwachung würde laufend aufgezeichnet, eine Videobeobachtung hingegen soll nur erlaubt sein, wenn sichergestellt ist, dass ein unverzügliches Eingreifen der Polizei möglich ist. Mit anderen Worten: Die Kameras werden dafür eingesetzt, dass in der Nähe befindliche Polizisten in ein gefährliches Geschehen eingreifen können, das sie über die Kameraaufnahmen wahrnehmen.

Heimliches Abhören – was der Polizei erlaubt werden soll

Bereits zur Abwehr einer Gefahr (und nicht erst zur Aufklärung von Straftaten) soll der Polizei die heimliche Telekommunikationsüberwachung (TKÜ) erlaubt werden. Bei diesem Vorhaben bleibt es auch nach dem neuen Gesetzentwurf. Jedoch wird klargestellt, dass dabei nur Daten der laufenden Kommunikation aufgenommen werden dürfen. Das Handy darf nicht mit Blick auf darauf gespeicherte Daten untersucht werden. Ob es dabei bleibt, bezweifeln Kritiker. Schließlich dürfte es möglich sein, durch eine auf einem Handy installierte Spähsoftware den gesamten gespeicherten Inhalt mit allen Daten auszuspähen. Auch bleibt die Kritik, dass der Staat aus eigenem Interesse keinen Anlass dafür hat, IT-Sicherheitslücken zu schließen – eben um selbst in die Systeme zu gelangen. Das wiederum lasse dann auch Türen für Kriminelle offen, Spähsoftware zu installieren.

Polizeiliche Aufenthaltsvorgabe und elektronische Fußfessel

Nach dem bisherigen Entwurf könnte die Polizei bereits bei drohender Gefahr einer Straftat von erheblicher Bedeutung jedem, von dem eine solche drohende Gefahr ausgeht, vorschreiben, seinen Aufenthaltsort nicht zu verlassen. Nun gilt das nur für den Fall, terroristische Straftaten zu verhüten. Absicht laut Begründung zu dem Gesetzentwurf: So wird dem Gefährder die Möglichkeit genommen, seine Handlungen durch verstärkte Mobilität zu verschleiern. In solchen Fällen soll dann auch eine elektronische Aufenthaltsüberwachung, die elektronische Fußfessel, möglich sein. Damit kann die Polizei frühzeitig feststellen, ob der so Überwachte einen bestimmten räumlichen Bereich verlässt.

Wann und wie lange darf die Polizei jemanden festhalten?

Nach dem ersten Entwurf zum neuen Polizeigesetz sollte ein Festhalten eines Gefährders für die Dauer von vier Wochen möglich sein. Dieser sogenannte Unterbindungsgewahrsam – der Gefährder soll an einer entsprechenden Tat gehindert werden – wurde nunmehr auf 14 Tage verkürzt. Allerdings mit der Möglichkeit einer Verlängerung um weitere 14 Tage. Begründet wird dieser Unterbindungsgewahrsam damit, dass diese Zeit oftmals erforderlich sei, um zu klären, ob es für einen Haftbefehl nach der Strafprozessordnung reicht.

Noch eine andere Art von polizeilicher Ingewahrsamnahme soll das neue Polizeigesetz regeln. Um die Identität einer von der Polizei als Störer identifizierten Person festzustellen, sollte der oder die Betroffene nach bisherigen Plänen bis zu einem Monat festgehalten werden dürfen.

Jemanden so lange einzusperren, nur weil man dessen Identität nicht feststellen kann, halten Kritiker für überzogen. Im neuen Entwurf wird die Dauer nun auf maximal eine Woche begrenzt. Das jedenfalls sei erforderlich, heißt es in der Begründung zum schwarz-gelben Gesetzentwurf. So wird darauf verwiesen, dass etwa Personen im Hambacher Wald ihre Identitätsfeststellung durch Verkleben ihrer Fingerkuppen durch Sekundenkleber unmöglich gemacht hätten. Um die Identität zu klären, bedürfe es einer längeren Ingewahrsamnahme.

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