Zum 50. von Madonna: Ergebnis harter Arbeit

Mit 50 Jahren ist Madonna der Inbegriff des Superstars, jung geblieben dank eiserner Disziplin und plastischer Chirurgie.

Für das Selbstverständnis, das Madonna schon immer von sich hatte, steht eine Interviewsequenz, die in Jingle-Form zu einem Aushängeschild des Musiksenders MTV wurde. Platinblondiert, im Marilyn-Gedächtnis-Look, saß sie da, aus ihrem Mund fuhr ein herzhaftes Bäuerchen, dem sie ein schlichtes: "Hi, I’m Madonna" folgen ließ. Sollte meinen: Bei mir ist sogar ein Rülpser hohe Kunst, nicht etwa, weil er schöner klingt als andere, sondern weil ihn alle senden. Auch ihr kreativer Output war nie außergewöhnlich, schon gar nicht extrem oder kultverdächtig schräg. Madonna wusste aber genau, was sie zu tun hatte, damit Radiostationen, Fernsehsender und Musikmagazine darüber berichten, als hätte da jemand Rad, Glühbirne und Antibiotika gleichzeitig erfunden. Und das, obwohl es eigentlich nur Büroklammern-Niveau hatte, was sie der Populärkultur originär beizusteuern hatte.

Als sie besagtes Interview gab, war sie knapp sieben Jahre im Geschäft. McCartney, die Stones und Pink Floyd feierten bereits 25 Jahre Bühnen-Dasein, trotzdem wurde Madonna mit ihnen in einem Atemzug genannt, kanonisiert, als wäre sie schon seit Jahrzehnten dabei, als sei sie es gewesen, die mit Mick Jagger geschlafen, mit John Lennon gekifft und mit The Who Hotelzimmer zerlegt hätte.

Tatsächlich war die Selbstverständlichkeit, mit der Madonna Louise Ciccone sich von Beginn an zwischen diesen ikonisierten Rock-Greisen bewegte, der überhörte Warnschuss, dass sie ihnen allen den Rang ablaufen würde. Sie sog alles, was Pop war, in sich auf und kanalisierte es zu einem massentauglichen Konzentrat. Dazu gehörte auch, dass sie sich mit dem, was sie gerade zum Trend erhob, nie gleichmachte. Sie schwebte über den Dingen, legte von jeher eine verbissene Disziplin an den Tag und hatte dementsprechend die businessübliche Experimentierphase mit Alkohol und Drogen in den 70ern belassen - kurz, schmerzhaft, läuternd. Sie habe schnell gemerkt, dass sie es nicht leiden kann, wenn sie die Kontrolle über ihren Körper verliert, kommentiert sie das heute.

Was man von ihr zuerst zu sehen bekam, wirkte weder sonderlich kontrolliert noch allzu enthaltsam. Ihren Durchbruch feierte sie mit Nylon-Handschuhen, Rüschchen-Rock überm Leder-Mini und einem Nietengürtel, auf dessen Schnalle der Schriftzug "Boy Toy" das Scheinwerferlicht reflektierte. In 30 Jahren Popgeschichte schien kein Jungstar dem Dasein als Eintagsfliege eher geweiht als diese gelangweilte Mittzwanzigerin, die im Trockeneisnebel umherstelzte, als hätte man Minnie Maus Juckpulver in die Bluse gestreut. "Holiday", der Song dazu, wurde trotzdem 1983 ihr erster Hit.

Vorher hatte sie zwei Singles und ein Album veröffentlicht und sich jeden Tag vor Augen gehalten, dass sie ihren Weg aus der Vorstadt-Hölle von Detroit nach New York nicht umsonst angetreten haben wollte. Als Kind streng katholischer Eltern, insbesondere eines italienischen Einwanderers, der als gut verdienender Chrysler-Ingenieur beim Abendessen den Mythos des amerikanischen Traums predigte, glaubte sie fest an den Dreiklang aus Leistung, Disziplin und Erfolg, vor allem daran, dass ihr Ehrgeiz, ihre Enthaltsamkeit und ihre Einsatzbereitschaft dereinst belohnt würden. "Es liegt allein in Deiner Hand, was Du aus Deinem Leben machst." Für keinen anderen amerikanischen Künstler wurde diese Tellerwäscher-Millionärs-Gleichung so zum Mantra wie für Madonna.

Warum sie aus der Masse herausstach, lässt sich jetzt, da ihr Gesamtwerk in die "Rock’n’Roll Hall of Fame" einzog, besser begreifen, als vielleicht noch vor zehn Jahren, als es allenthalben inhaltsleer hieß, Madonna habe sich mal wieder neu erfunden.

Genau genommen hat sie das nie. Sie hat eher in der jeweiligen Subkultur gewildert, zuerst den Wave-Look dem Mainstream überantwortet ("Like A Virgin", 1984), später Malcolm McLarens Tanz-Trend, das Vogueing, zum Welterfolg gemacht ("Vogue", 1990) und die Trance-Musik, bis Ende der 90er ein etwas schmutziges, weil von Designer-Drogen durchsetztes Genre, porentief und spirituell reingewaschen ("Ray of Light", 1998). Die Songs, egal wie belanglos oder gelungen sie waren, dienten allerdings nur als Durchlauferhitzer für das Phänomen, zu dem Madonna sich verbissen stilisierte. Die Welt glauben zu machen, sie sei ihr größter Star, war eine Kärrnerarbeit, für deren Schweiß sie jedes Milligramm ihres Erfolges verdient.

Queen of Pop wird sie gerne genannt, in Anlehnung an den einstigen King of Pop, Michael Jackson, mit dem sie gemeinsam die 80er dominierte, den sie aber genauso nonchalant hinter sich ließ wie den damaligen Kunst-Popper und Feuilleton-Liebling Prince. Der eine, Prince, ist seit Juni 50, der andere, Jackson, wird es Ende dieses Monats. Es ist, als würde der Pop in diesem Jahr ein halbes Jahrhundert alt.

Wobei Alter ein Begriff ist, mit dem Madonna nichts anfangen kann. Als ihr bei der diesjährigen Berlinale ein Journalist schmeichelte, sie sehe fantastisch aus, danach allerdings wissen wollte, wie sie es schaffe, immer noch so kreativ zu sein, obwohl sie eigentlich schon Großmutter sein könnte, lehnte sie sich nach vorne, grinste müde und beschied den Fragensteller mit einem leicht bitteren: "Und plötzlich ist Ihr Kompliment kein Kompliment mehr!"

Es wurmt sie, dass sie verfällt, Botox und gezielte Schnitte zeichnen ihren Körper, für jede Falte scheint sie ihr Trainingsprogramm um zwei Stunden täglich aufzustocken, so sehnig wirkt sie mittlerweile. Sie brauchte immer etwas, an dem sie sich abarbeiten kann. Das medienkulturelle Nonplusultra ist sie schon, dass es mit einer Karriere als Oscar-Mimin nichts mehr wird, begreift sie auch noch irgendwann. Ihre eigentliche Passion allerdings ist der Weg zur ewigen Jugend. Sie wird ihn nicht finden. Wenigstens ist sie beschäftigt.

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