Mafia-Morde: Jagd auf Kaarster Pizzabäcker

Vor einem Jahr soll Giovanni Strangio in Duisburg sechs Menschen getötet haben.

Duisburg/Kaarst. Die Mafiakiller der ’Ndrangheta schlugen zu wie nach einer Romanvorlage. Sechs Italiener starben in der Nacht zum 15. August 2007 im Kugelhagel vor dem Duisburger Restaurant "Da Bruno".

Es war die Rache für den Mord an Maria Strangio am 1. Weihnachtstag 2006 in San Luca. Die 33 Jahre alte Ehefrau eines Mafia-Paten hatte sich beim Anschlag eines verfeindeten Familienclans noch schützend vor ihren fünfjährigen Sohn gestellt. Sie wurde erschossen, ihr Sohn und zwei weitere Menschen wurden verletzt.

Vor einem Jahr wurde der seit Jahren andauernde Streit innerhalb des kalabrischen Arms der Mafia mit Dutzenden Toten erstmals nach Deutschland getragen. Selbst die italienischen Mafiajäger waren über das erschreckende Ausmaß überrascht.

Seinen Ausgang hatte der Duisburger Anschlag bei der Beerdigung der Frau genommen. Giovanni Strangio (30) stand - wie so viele Angehörige des Nirta-Strangio-Clans - in der Mafiahochburg San Luca mit am Grab. Die Familie musste nach ihren Gesetzen Blutrache üben.

Doch zunächst wurde Strangio ausgebremst. Die Polizei nahm ihn bei der Beerdigung fest. Er hatte eine Waffe im Hosenbund und wurde auch noch auf der Flucht angeschossen. Ein Jahr saß er in Haft, anschließend stand er bis Anfang August 2007 unter Arrest. Dann überschlugen sich die Ereignisse.

Strangio telefonierte in Italien mit seinem Bruder und kündigte an, er fahre nach Deutschland. In Kaarst besitzt er die zwei Pizzerien "Toni’s Pizza" und "San Michele" . Doch sein Kommen solle weitgehend geheimbleiben, hörte die Polizei mit. "Wenn alles gut geht, sehen wir uns am Monatsende wieder", soll der Pizzabäcker gesagt haben. "Die Italiener haben einfach bessere Abhörmöglichkeiten", meint der Duisburger Gesamtermittlungsleiter Holger Haufmann. Die rechtlichen Möglichkeiten seien dort einfach besser.

Am 8. August verlässt Giovanni Strangio Italien und reist über Nürnberg nach Kaarst. Dann ist offenbar auch die italienische Überwachung überfordert. Der Mafioso lässt heimlich verdächtige Gegenstände aus seiner Wohnung beseitigen - später findet die Polizei eine Pistole in einem Senfeimer in einer seiner Pizzerien - und übernimmt eine andere konspirative Wohnung zur Vorbereitung der Tat.

Eine Woche später fährt Strangio mit einem Komplizen in einem schwarzen Renault Clio mehrfach am Mafia-Lokal "Da Bruno" in der Nähe des Duisburger Hauptbahnhofs vorbei, aufgezeichnet von Kameras des Stahlhandelshauses Klöckner, in dem das Restaurant untergebracht ist.

Im Restaurant wird gerade der 18. Geburtstag eines Kalabresen gefeiert. Der Nachwuchs wird zugleich mit einem Ritual in die ’Ndrangheta aufgenommen. Das "Da Bruno" ist seit Jahrzehnten Mafiaterritorium des Vottari-Pelle-Romeo-Clans, der für den Anschlag an Weihnachten 2006 in San Luca verantwortlich ist.

Giovanni Strangio und sein Komplize - vermutlich Giuseppe Nirta - stellen den gemieteten Renault Clio in der Nähe ab und warten, bis die sechs feiernden Clan-Gegner gegen 2 Uhr das "Da Bruno" abschließen und in zwei Wagen stiegen. Die Killer strecken die 16 bis 39 Jahre alten Männer mit Kopfschüssen aus Schnellfeuerwaffen nieder.

Einer von ihnen war Marco Marmo, der indirekt an der Ermordung Maria Strangios in San Luca beteiligt war. Er war in Deutschland auf Waffen-Einkaufstour. Ihn hatte die italienische Polizei - wohl ohne die Deutschen zu informieren - verwanzt. Dass es vor dem "Da Bruno" zu einem Anschlag kommen sollte, hatten aber auch die Italiener nicht erwartet.

Nach den Schüssen gelang den Schützen die Flucht nach Gent in Belgien, wo sie den Wagen stehen ließen. Eine deutsche Mordkommission mit italienischer Unterstützung brauchte Wochen, um den genauen Tathergang zu rekonstruieren. Fast 1000 Hinweisen ist die Mordkommission nachgegangen. "Wir werden sie irgendwann haben. Wir oder die italienische Polizei", sagt Haufmann.

Davon ist auch Heinz Sprenger, Leiter der Mordkommission, überzeugt. "Die ’Ndrangheta-Mitglieder haben meist Kontakt nach Kalabrien. Aufgrund der familiären Bande tauchen sie immer wieder da unten auf."

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