Von Traumkleid bis Stoffbrett

Manche behaupten, dass es bei den Oscars um Filme geht. Designer sind sich sicher: Das ist die wichtigste Modenschau der Welt. Eine Stilkritik vom Roten Teppich.

Hollywood. Am Ende war nicht einmal auf Helena Bonham Carter Verlass. Keine Entgleisung, keine Stoff gewordene Geschmacklosigkeit — sie erschien in dezentem Schwarz, nur ein auf die Wade geklebter Union Jack erinnerte daran, dass die Frau eigentlich der Punk des Roten Teppichs ist.

Die Oscar-Verleihung gilt inoffiziell als wichtigste Modenschau des Jahres, die Stars werden schon Monate vorher von Modemachern bezirzt. Die hatten sich in diesem Jahr dazu entschlossen, dass man die Sache mal legerer angehen sollte. Statt der großen Gala-Garderobe sah man Kleider, die es bislang höchstens auf eine Cocktailparty geschafft hätten.

Cameron Diaz kam im Minikleid, Scarlett Johansson mit zerzaustem Haar. Gwyneth Paltrow wurde von verzückten Moderatoren dafür gelobt, dass sie sich in einen Schlauch ohne jeden Schnitt hatte einnähen lassen. Schlicht, schlank, schulterfrei, einfache Form — das schien das Credo zu sein. Auch der Schmuck blieb dezent, und die Frisuren hatten nichts mehr mit dem Turmbau vergangener Jahre zu tun — außer bei Sharon Stone.

Zum Glück gab es doch noch einen kleinen Tabubruch, und wenn schon keine Entgleisungen, dann doch zumindest Fehlgriffe. Wir präsentieren: die Tops und Flops bei den Oscar-Roben.

Wenn etwas ganz klar tabu ist, dann die rote Robe auf dem ebenso Roten Teppich. Das galt bis jetzt. Seit den Oscars 2011 wissen wir: Rot ist im Kommen. Und das, obwohl der Teppich in diesem Jahr erstmals ins Pinke abgeglitten war und sich mit Jennifer Hudsons orangeroter Robe ungefähr so gut vertrug wie Kirschjoghurt mit Tomatenketchup. Traumhaft sah dagegen Sandra Bullock aus. Sie trug ein Traumkleid von Vera Wang, das den beiden wichtigsten Oscartrends entsprach (strenger Schnitt, schulterfrei) und dank Schleppe ausreichend Gala-Glamour bot.

Was wird die schwangere Natalie Portman tragen? Kaum ein Kleid wurde mit so viel Spannung erwartet wie das der „Black Swan“-Darstellerin. Und dann das: ein Ausschnitt, wie ihn sonst nur alternde Filmdiven tragen. Wallende Stoffmengen, die nicht nur den Babybauch, sondern auch jede weitere Form verschwinden ließen. Ein zartes Empirekleid im angesagten silbergrau hätte die zarte Schönheit besser dastehen lassen. So sah es aus, als hätte sie sich im Schrank von Liz Taylor bedient.

Was sich Nicole Kidman bei ihrem Brett aus Stoff gedacht hat, kann man nur erahnen. Der Schnitt der Dior-Kreation wirkte wie aus der Star-Trek-Mottenkiste. Klingonen wären damit in den Krieg gezogen. Frau Kidman hat es lediglich die Silhouette ruiniert. Solch eine Geschmacksverirrung kennt man sonst nur von Celine Dion.

„Kann man das nähen oder ist es gemalt?“ Wenn ein Kleid diese Reaktion hervorruft, hat seine Trägerin alles richtig gemacht. Bei den Oscars 2011 war es Hilary Swank, die mit ihrem Traum aus Stoff und Glitzer von Gucci Première die Traumrobe des Abends präsentiert hat. Klassischer Schnitt, silberfarben, glitzernd, mit Federn besetzt, ein atemberaubender Farbverlauf — mehr Hollywood geht nicht. Nur Halle Berry hätte Swank den Titel der schönsten Robe abnehmen können — wenn Designer Marchesa nur ein bisschen am Tüll gespart hätte. Gratulation an Miss Swank. Gäbe es einen Oscar fürs schönste Kleid — wir hätten sie nominiert.

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