Ist da noch wer in Hollywood?

Verleihung der Oscars ohne Schwung und Ambition

Natürlich gönnt man dem Film „The King’s Speech“ seine vier Oscars in vier Hauptkategorien. Er ist ein ansehnliches und ein wenig verträumtes Werk, und es spricht gar nichts dagegen, nach all den Preisen für großes Gemetzel und wilde Computer-Animationen in den vergangenen zehn Jahren nun mal wieder traditionelles Erzählkino auszuzeichnen. Auch waren die Preise für Colin Firth und Natalie Portman als beste Hauptdarsteller alles andere als Überraschungen, aber dennoch verdient.

Doch das hätte ja nicht alles sein müssen, es gibt schließlich genug Kategorien für eine Trophäe. Aber so lauwarm ausgewogen wie die Preisverteilung — vier technische Oscars für „Inception“, drei Figürchen für „The Social Network“ —, so gestaltete sich der ganze Abend: mut- und ideenlos, brav und bieder wie seit Jahren nicht. Und das lag nicht nur an der matten Moderation von Anne Hathaway und James Franco.

Die Gewinnerliste lässt schmerzlich mutige Entscheidungen wie 2010 vermissen, als Katherine Bigelows Kriegsthriller „The Hurt Locker“ den hochfavorisierten Kassenschlager „Avatar“ als besten Film ausstach. Mittlerweile scheint der Oscar-Akademie der Sinn für den Zeitgeist und für einen Widerschein der Realität auf der Kinoleinwand abhanden gekommen zu sein. Also gab es nur Trostpreise für einen authentischen Filmhelden wie Mark Zuckerberg, der zwar ein erfolgreiches Computer-Genie, aber sozial nicht eben umgänglich ist und anderen die Ideen stiehlt („The Social Network“).

Oft genug haben die Oscar-Veranstalter darauf hingewiesen, dass sich die Gala als reine Show versteht. Oft genug haben Laudatoren und Preisträger das geflissentlich ignoriert und deutlich Stellung bezogen zu Unterdrückung und Rassenhass, zu kriminellen Machenschaften in Politik und Wirtschaft. Dieses Mal herrschte dumpfes Schweigen hinter verschlossenen Türen, die Welt musste draußen bleiben.

Als sei es nicht mal der Erwähnung wert, dass Teile der US-Bevölkerung infolge der Finanzkrise sozial verelenden und dass sich die Völker in Nordafrika gegen ihre Diktatoren erhoben haben. Wenn das kein Ausrutscher bleibt, wird sich die Welt bald fragen: Ist da noch wer in Hollywood?

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