Geschichte Verein wirbt seit 150 Jahren um Interesse an Technik und Industrie

Wuppertal · 1868 gründete sich der VTI. Bis heute verschafft er seinen Mitgliedern mit Besichtigungen und Vorträgen Einblicke in technische Entwicklungen.

Als 1868 in Barmen der Verein für Technik und Industrie (VTI) gegründet wurde, war drei Jahre zuvor US-Präsident Abraham Lincoln ermordet worden, ein Jahr vorher erfand Alfred Nobel das Dynamit und ein Jahr später wurde der Suezkanal fertig gestellt.

Zusammen taten sich 72 Pioniere – alle männlichen Geschlechts, denn für Frauen war solches Engagement nicht vorgesehen. Sie hatten bis dahin zum Hagener Technikverein gehört und waren zu Vereinsaktivitäten immer mit der Eisenbahn (das Automobil war noch nicht erfunden) in die Nachbarstadt gefahren.

Bei der Gründungsversammlung am 2. November 1868 im evangelischen Vereinshaus in Barmen wählten die Mitglieder den Direktor der Gewerbeschule, einen Dr. Zehme, zum ersten Vorsitzenden. Zu den Mitgliedern gehörte auch Barmens Oberbürgermeister Wilhelm August Bredt, dessen Amt dem VTI empfahl, vorbereitende Schritte zur Gründung des „Bergischen Dampfkessel-Überwachungsvereins“ zu unternehmen. Aus dem entstand später der heutige TÜV.

Der VTI fand schnell neue Freunde, und bis Ende 1869 waren 260 technisch interessierte Herren im Mitgliederregister eingetragen. Sie beobachteten die technische Entwicklung, unternahmen Besichtigungen, beispielsweise der Briefumschlag-Fabrik Blanke in Barmen, die schon damals als Weltmarktführer in der Lage war, bis zu 50 000 Briefumschläge am Tag herzustellen. Auch Vorträgen lauschte man interessiert, etwa über Zentral-Heizungen, Dampfüberhitzer, Invaliditäts- und Altersversicherung oder Ausgrabungen auf Zypern. Und man besichtigte unter anderem die Kesselschmiede von Siller und Jamart.

1894 wurde das 1000. Mitglied in den Verein aufgenommen, und der VTI stieg ständig in der Achtung der Barmer, aber auch Elberfelder Bürger. Zeichen für die Wertschätzung auch höheren Orts war der Vortrag eines Regierungsbeamten über das Projekt einer Schwebebahn zwischen Elberfeld und Barmen. Großes Interesse fanden 1899 auch die Gedanken zum Thema „Selbstfahrende Straßenfahrzeuge“, sogenannte „Automobile“, der durch Lichtbilder bereichert wurde.

Heute hat der VTI 120 Mitglieder, noch immer beherrschen Besichtigungen und Vorträge das Vereinsgeschehen. „Seit 1947 sind es 570“, hat Beirat Jürgen Sieper aufgelistet. Die Besichtigungen sind oft mit Eintagesfahrten bis zu 300 Kilometern im Umkreis verbunden und stets schnell ausgebucht. „Wir besichtigen Werke wie beispielsweise Villeroy und Boch in Mettlach und verbinden dies meist auch mit Besuchen kultureller Einrichtungen“, erklärt Rolf Braun, der den Vereins seit zehn Jahren führt.

Damen sind inzwischen gern gesehene Mitglieder, nicht nur Witwen, die nach dem Tod ihrer Ehemänner im Verein geblieben sind, weil sie die liebenswürdige und geistig anregende Atmosphäre im VTI zu schätzen wissen. Reines Vergnügen, ganz ohne Erweiterung des technischen Wissens, gab es im Herbst dieses Jahres, als man zum 150-jährigen Bestehen zu einer Bootsfahrt bei strahlendem Sonnenschein auf dem Bigggesee eingeladen hatte.

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