Kommunalpolitik Stadtrat wehrt sich mit Resolution gegen drohenden Schuldenberg

Wuppertal · Sicherheitsauflagen in der Corona-Krise zwangen den Rat der Stadt am Montag zum Umzug in die Historische Stadthalle.

 In der Stadthalle konnte der Sicherheitsabstand zwischen den Stadtverordneten einfacher eingehalten werden als im Barmer Rathaus.

In der Stadthalle konnte der Sicherheitsabstand zwischen den Stadtverordneten einfacher eingehalten werden als im Barmer Rathaus.

Foto: Fries, Stefan (fri)

Am Montag meldete sich der Rat der Stadt Wuppertal im großen Saal der historischen Stadthalle auf der Entscheidungsebene zurück. Der größte verfügbare Saal in der Stadt bot einen würdigen Rahmen für eine Ratssitzung, die in die Stadtgeschichte Wuppertals eingehen dürfte. Dies nicht wegen der getroffenen Beschlüsse (der Satzungsbeschluss zur Forensik ist auf die Juni-Sitzung vertagt worden), sondern wegen des organisatorischen Rahmens. Die 63 anwesenden Ratsmitglieder trugen zum Teil Nasen-Mund-Schutzmasken, die Anordnung von Tischen und Stühle im großen Saal gewährleistete für alle Stadtverordneten und die Zuhörer im Saal den gebotenen Sicherheitsabstand.

Grundlegende Entscheidungen zum Alltag in Wuppertal sind in den vergangenen Wochen vom Krisenstab und nicht von den gewählten Stadtverordneten getroffen worden. Der Krisenstab bestimmt seit Mitte März über die Schutzauflagen und aktuell auch über den Zeitplan der Lockerungsmaßnahmen. „Es ist ein wichtiges Zeichen, dass das Parlament der Stadt auch in der Krise tagt“, sagte Oberbürgermeister Andreas Mucke zur Begrüßung von Ratsmitgliedern und Zuschauern und dankte dem Team der Stadthalle für die Unterstützung beim Umzug des Stadtparlaments zum Johannisberg. Ob es weitere Sitzungen an diesem Ort geben wird, ist wie so vieles in der Krise noch nicht absehbar.

Corona bestimmt die ersten Tagesordnungspunkte

Die Corona-Pandemie bestimmte in der Stadthalle die ersten Tagesordnungspunkte. Mit den Stimmen von CDU, SPD, Grünen, Linken, FDP und Freien Wählern beschloss der Stadtrat eine Resolution, in der Wuppertal Kommunale Rettungsschirme von Bund und Land sowie eine Altschuldenhilfe als Reaktion auf die Corona-Pandemie fordert. Die Bundeskanzlerin, die Ministerpräsidenten und sämtliche weitere politische Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträger in Bund und Ländern werden aufgefordert, unverzüglich konkrete Vereinbarungen über die Übernahme der Kommunalen Altschulden durch den Bund, Länder und betroffene Kommunen zu treffen und die kommunalen Unternehmen bei den finanzwirtschaftlichen Hilfsmaßnahmen (Rettungsschirme) miteinzubeziehen. Der Stadtrat fordert finanzielle Unterstützung - ausdrücklich keine Kredite, da diese zu einer weiteren Verschuldung der Stadt führen würden.

Diskussionen gab es über die Formulierung der Resolution. Die FDP hatte in einem eigenen Antrag neben dem kommunalen Corona-Rettungsschirm des Landes NRW auch einen Rettungsschirm des Bundes gefordert. Marc Schulz (Grüne) entgegnete, dass es einen Rettungsschirm des Landes NRW bisher nicht gebe und daher sei der letzte Satz im FDP-Antrag nicht zutreffend. Einigkeit gab es darin, dass der Bund die an die Kommunen übertragenen Aufgaben finanzieren sollte. Das gelte in Zeiten der Corona-Pandemie mehr denn je. Der Rat stimmte der Resolution einstimmig zu, nachdem sich die Parteien auf einen unmissverständlichen Wortlaut verständigt hatten.

Stadtdirektor Johannes Slawig hatte die Dringlichkeit von Rettungsplänen bereits im Vorfeld der Ratssitzung mit weiterhin sinkenden Einnahmeerwartungen bei der Gewerbesteuer begründet. Inzwischen liegen der Stadt 1323 Anträge von Unternehmen auf Ausfall oder Stundung der Gewerbesteuer vor. Das bedeute für das laufende Haushaltsjahr einen Einnahmeausfall in Höhe von 78 Millionen Euro – mit steigender Tendenz.

Ausgeglichener Haushalt für das Jahr 2020 ist außer Reichweite

Ein ausgeglichener Haushalt für das Jahr 2020 ist außer Reichweite. Die Aufnahme von Krediten sei keine Lösung, erklärte Johannes Slawig. Selbst bei günstigen Kreditbedingungen, die das Land anbietet, würde es 50 Jahre dauern, bis Wuppertal die Schulden aus der Coronakrise beglichen hätte. Bis 2070 müsste Wuppertal einen Sonderhaushalt fahren. Auf 150 Millionen Euro hatte Slawig schon vor Wochen die durch die Corona-Pandemie zu erwartende Belastung für den städtischen Haushalt geschätzt. Und in dieser Summe sind die Verluste und Mehrkosten der städtischen Gesellschaften wie Orchester, Bühnen, Tanztheater und Wuppertal Marketing nicht einmal eingerechnet. „Die Altschulden sind zwar jetzt etwas aus den Augen verloren worden, aber wir benötigen finanzielle Hilfen, sonst ist die Arbeit des Schuldenabbaus der vergangenen Jahre vergebens“, beschrieb Andreas Mucke den Ernst der Lage.

Um die Dimensionen der Krise deutlich zu machen, nannte Slawig eine weitere Zahl: 6,6 Millionen Euro hat die Stadt bisher für Schutzausrüstung in der Coronakrise ausgegeben. Und der Bedarf an Schutzkleidung und Masken wird noch über Monate andauern.

Für die Freien Wähler schlug Heribert Stenzel vor, die Investitionen der Stadt in Großprojekte wie die Buga, das Pina Bausch Zentrum oder die siebte Gesamtschule für drei Monate wegen der Pandemie auf Eis zu legen. Dem hielt Marc Schulz (Grüne) entgegen, dass jeder Zeitverlust viel Geld koste. Speziell der Wunsch der Eltern, nach einer siebten Gesamtschule könne nicht vernachlässigt werden. Hans-Jörg Herhausen (CDU) wies zudem darauf hin, dass Grundstücksankäufe durch die Stadt weiterhin möglich sein müssen. Klaus Jürgen Reese (SPD) wies es als „abenteuerlich“ zurück, die Schulplanung weiter zu verzögern. Ablehnung gab es auch von Bernhard Sander (Linke): „Man kann sich aus der Krise nicht raus sparen, sondern man muss viel Geld in die Hand nehmen, um die Infrastrukturen zu ertüchtigen.“ Stadtkämmerer Johannes Slawig erklärte, dass es eines Moratoriums nicht bedürfe, solange die Stadt liquide sei. Die Krise werde massiv dazu führen, dass Arbeitsplätze verloren gehen und Wertschöpfung nicht stattfinde. Gerade deshalb forderten die Städte Investitionsprogramme. Investitionen in die Schulen und in das Pina Bausch Zentrum seien jetzt erforderlich, weil sie die gewünschten Wertschöpfungen förderten. Der Antrag der Freien Wähler wurde bei einer Ja-Stimme mit großer Mehrheit abgelehnt.

(ab)
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