Begrabt mein Herz in Wuppertal Wenn Flächenbrand Phil Collins schlägt

WZ-Kolumnist Uwe Becker über seine musikalische Vergangenheit — und eine etwas manipulierte Hitparade.

Begrabt mein Herz in Wuppertal: Wenn Flächenbrand Phil Collins schlägt
Foto: Joachim Schmitz

Wuppertal. Beim Aufräumen fiel mir dieser Tage die CD „5600 Wuppertal - Die CD zur Stadt“ in die Hände. 1994 hatten verschiedene Wuppertaler Musiker und ich die Idee, einen Sampler herauszubringen, damit die alte Wuppertaler Postleitzahl nicht in Vergessenheit gerät. Die CD erschien in einer kleinen Auflage und wurde gut bis befriedigend verkauft. Da die Stadtsparkasse Wuppertal etwas Geld dazu gab, war die Produktion finanziell abgesichert.

Auf dieser CD gab es auch das Lied „Ich bin im Krieg gefallen…“ von der Gruppe „Flächenbrand“, deren Sänger ich war. An den Tasten saß Ulrich Rasch, am Schlagzeug Michael Träger, am Bass zupfte Hendrik Gosmann und die Gitarre spielte Mickes Lücker. Die Gruppe wurde eigentlich nur gegründet, um mit auf den Sampler zu kommen. Wir waren eine „One-Hit-Band“. Sehr reich wurden die Bandmitglieder und ich damit allerdings nicht.

Anfang 1995 hörte ich beim Frühstück den relativ neuen Lokalsender Radio Wuppertal. Man plante eine Hörer-Hitparade und lud alle ein, ihren Lieblingshit auf eine Postkarte zu schreiben und an die Radiostation zu schicken. Mein Lieblingslied war natürlich mein eigener Song, und darum kaufte ich mir 20 unterschiedliche Postkarten und 80-Pfennig-Marken. Ich schrieb „Ich bin im Krieg gefallen von der Band Flächenbrand“ auf alle Karten und übergab diese dann der Deutschen Post. Meine Handschrift hatte ich immer etwas verändert, damit nicht auffiel, dass sie von einer Person geschrieben wurden.

Einige Tage später rief mich ein Redakteur des Senders aufgeregt an: „Herr Becker, Ihr Lied ist in der Hitparade, die am Samstag gesendet wird, leider haben wir aber die CD nicht!“ Da konnte ich natürlich aushelfen, hatte ich ja noch 400 Exemplare in meiner Wohnung.

Ich brachte die CD persönlich beim Sender vorbei und saß dann am folgenden Samstag gespannt vor dem Radio. Es begann mit Platz 20, und soweit ich mich erinnern kann, hatte Madonna mit „Take A Bow“ diese Platzierung. Eines war nun sicher, ich war mit meinem Song auf alle Fälle vor Madonna. Am Ende landete ich in der ersten Hitparade auf Position 14.

Ich dachte mir, wenn ich mit 20 Postkarten auf Rang 14 komme, könnte man mit ein paar mehr auch noch höher klettern. Ich steigerte also wöchentlich die Anzahl der Postkarten und tatsächlich platzierte ich mich in den nachfolgenden Hitparaden auf Platz 12, 8 und 5. Der Moderator der Sendung, Guido Zanoni, war nicht sonderlich begeistert, dass sich zwischen der Kelly-Family, Madonna und The Cranberries meine unbekannte Wuppertaler Band Flächenbrand so tapfer schlug. Inzwischen hatte ich fast 100 D-Mark für Briefmarken ausgegeben.

Aber ich wollte mehr, ich wollte nach ganz oben. Ich investierte noch mal 50 D-Mark in Porto und setzte zum finalen Schlag an. Und dann kam sie, die schönste Radiosendung meines Lebens: Nachdem Phil Collins, der auf dem dritten und Take That, die auf dem zweiten Platz landeten, abgespielt waren, verkündete der hörbar entsetzte Moderator: „Platz Eins in dieser Woche: Die Gruppe Flächenbrand mit ‚Ich bin im Krieg gefallen’. Ihr habt es nicht anders gewollt!“ Er konnte ja nicht wissen, dass nur ich es „nicht anders gewollt“ hatte.

Nach diesem Triumph schickte ich für die nächste Hitparade nur noch zwei Postkarten ab und stürzte von Platz 1 auf Platz 20. Für viele überraschend, für mich natürlich nicht.

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