Lügen künstlerisch verpackt

Momo Tremmer und Ivo Kiefer stellen in der Hebebühne aus. Ihre Werke haben sie vor Ort geschaffen.

Lügen künstlerisch verpackt
Foto: Andreas Fischer

Wuppertal. Ein hölzernes Gerüst vor Kacheln und eine Art Gebäude aus Leinwand: Das sind zunächst die Hauptobjekte in der neuen Ausstellung „Die Wahrheit lügt irgendwo dazwischen“ in der Hebebühne. Die ungewöhnliche Kunststätte am Mirker Bahnhof zeigt Installationen von Momo Trommer und Ivo Kiefer, und beide Künstler haben ihr Werk speziell für diesen Ort entwickelt.

Bis heute ist leicht zu erkennen, dass die Adresse eine frühere Tankstelle ist. Weiß gekachelt ist der Raum, in den Momo Trommer ihr Podest gebaut hat: ein Holzgerüst mit einem begrünten Pentagramm aus Holz. Triviale Esoterik könnte man ihr heutiges Thema nennen — ein Phänomen, das ihr im Alltag oft auffällt: Elemente aus Religion oder Okkultismus würden degradiert zum Einrichtungsobjekt. „Das Pendel bestellt man dann bei Amazon.“ Hinter der Frontansicht ihrer Arbeit etwas verborgen ist die Fortsetzung: Die Wandfläche zwischen Boden und oberem Abschluss ist mit Zeichnungen versetzt, die Kollege Kiefer beigesteuert hat und Formen seines Objekts nebenan aufgreifen. Sie sind eher unscheinbar und verleugnen nicht, unvermittelt hier entstanden zu sein.

Dass man Ivo Kiefers Werk betreten soll, ist offenkundig: Ein Weg über Erde (Link zu Trommer) führt in ein Konstrukt aus Leinwänden — rechts, links sowie oben als Decke. Als so geschaffener Raum wirkt es unmittelbarer, und konkret macht anscheinend auch die Tatsache, dass die Wände gegenständlich bemalt sind. Freilich muss man wohl sagen: Auch „Gegenstand“ ist relativ. „The world is a dangerous and uncertain place“, entziffert man als Betrachter mit einiger Kopfdrehung den Schriftzug.

Und dass die Welt also gefährlich und ungewiss ist, findet beim Gemalten gleich die Bestätigung: Langbeinige Gebilde auf einer Seite, technokratisch irgendwie — auf der anderen Stückchen von Klebestreifen, tatsächlich fein gezeichnet. Halt geben auch sie nicht.

Beides nun auf einen Nenner bringen? Vielleicht gestalten Trommer wie Kiefer (beide kennen sich, arbeiten aber separat) einen Zugriff auf die Welt, und zwar jeweils mit seinen Mängeln: Einmal Spiritualität, aber hübsch zurecht gemacht und aufs Idyll reduziert. Zum anderen der Glaube an Technik und Information, der nicht so verlässlich ist wie es scheint. Wahrheit? Lüge? Facebook mit seinen Inhalten ohne Ordnung nennt denn auch Kiefer als Bezugspunkt, und Trommer ergänzt: „Trotz allem lesen sie ihr Horoskop.“

Es ist nicht das erste Mal, dass in der Hebebühne die Exponate erst vor Ort entstehen: auf den Ort hin und von ihm inspiriert. Sein Hintergrund ist robust — das stimmt fürs Ambiente ganz allgemein, das als Ex-Tanke zwangsläufig eine starke Eigenpräsenz hat. Zudem stimmt es praktisch in dem Sinne, dass es spezielle Möglichkeiten bietet: Vor Kurzem hat ein Künstler inmitten der Kacheln einen Sprenkler aufgestellt und mit Farbe gefüllt. Einen abwaschbaren Ausstellungsraum findet man nicht so häufig.

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