Nahverkehr Meyer will neue Modelle für ÖPNV

Verkehrsdezernent sieht Stadt und Bund in der Pflicht, die WSW zu unterstützen.

Der Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bundestag, Anton Hofreiter, hat jüngst in der „Bild am Sonntag“ die Einführung eines Ein-Euro-Tickets für den Öffentlichen Personen-Nahverkehr gefordert. So soll der ÖPNV attraktiver gemacht werden, die Luft in den Städten sauberer werden.

In Wuppertal ist das Zukunftsmusik. Für die Stadtwerke ist so ein Modell erst einmal keines, über das man nachdenke. „Es gibt viele Modelle, bei denen über Ticketpreise Kunden gewonnen werden sollen“, sagt WSW-Sprecher Holger Stephan. Das werfe aber immer die Frage nach der Finanzierbarkeit auf. „Wer zahlt für die Mehrkosten?

Die Stadtwerke finanzieren den ÖPNV über die Gewinne im Versorgungsbereich. Allerdings mit einem strukturellen Defizit von rund 45 Millionen Euro in der Bilanz für den ÖPNV. Zuletzt wurde angekündigt, dass einige Buslinien zum Fahrplanwechsel am 25. November ausgedünnt werden, um das Defizit zu deckeln.

Für Wuppertals Verkehrsdezernenten Frank Meyer (SPD) ist dies ein Zeichen, dass die bisherige Finanzierung ein „Auslaufmodell“ ist. Der ÖPNV als Teil der Daseinsvorsorge könne nicht von der „Zufälligkeit“ der Erträge der Stadtwerke abhängen, sagt Meyer. Er begrüßt den Vorstoß Hofreiters – wenn dieser mit Mitteln aus Berlin unterstützt würde. „Es muss eine Gegenfinanzierung geben.“

Meyer sieht auch
die Stadt in der Pflicht

Meyer sagt, er wünsche sich einen besseren ÖPNV - strukturell und finanziell. Der Verkehr auf den Straßen sei eines der Grundprobleme – wegen der Schadstoffe, der Sicherheit und des Lärms. Deswegen müsse der ÖPNV attraktiver werden. „Leistungen zusammenzustreichen, ist nicht zielführend“, sagt er in Richtung WSW. Gleichzeitig betont er aber auch, dass er Verständnis für die Lage der Stadtwerke habe. Er sieht auch die Stadt in der Pflicht. Wenn man die Qualität des ÖPNV beibehalten oder verbessern wolle, müsse auch die Stadt sich überlegen, den ÖPNV zu bezuschussen. Andere Städte, auch im Stärkungspakt, täten das auch.

Ein Ein-Euro-Ticket, wie es Hofreiter fordert, soll in Bonn getestet werden. Der Bund hat fünf Modellstädten 130 Millionen Euro bis 2020 gegeben, um Maßnahmen zu testen, mit denen Dieselfahrverbote verhindert werden sollen. Der Verkehrsverbund Rhein-Ruhr, dem auch die Stadtwerke angeschlossen sind, sagt, die Ergebnisse aus Bonn seien maßgeblich, um sich zu diesem Modell eine Meinung zu bilden.

Vorreiter für ein solches Ticket ist Wien, wo es mittlerweile mehr Tickets als zugelassene Autos gibt. Dafür zahlt die Stadt aber auch rund 40 Prozent der ÖPNV-Kosten – rund 500 Millionen Euro. In Tallinn (Estland) ist der ÖPNV seit 2013 ganz kostenfrei - die fehlenden Einnahmen werden durch Steuern kompensiert.

Forscher plädiert für Test mit wissenschaftlicher Begleitung

In Wuppertal bleibt die Politik angesichts solcher Forderung zwiegespalten. Hans-Jörg Herhausen, verkehrspolitischer Sprecher der CDU im Rat, sagt zwar, mehr gehe immer. An sich sei das Angebot hier aber gut. Er sieht die Finanzierung für mehr Angebote ebenfalls als Knackpunkt, meint aber, dafür müsse nicht der Bund einspringen. „Wenn der Bürger mehr Service will, muss er bereit sein, dafür zu zahlen.“

Anja Liebert, die verkehrspolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion im Rat, unterstützt die Idee ihres Parteifreundes Hofreiter. Sie sieht ein solches Ticket als verlässliche Einnahmequelle für die Stadtwerke. Mit einem Ein-Euro-Ticket könne man sicher mehr Abo-Kunden gewinnen als aktuell, ist sie überzeugt.

Oscar Reutter vom Wuppertal Institut ist skeptisch. Er meint, es sei eben eine offene Frage, wie viele Neukunden wirklich gewonnen werden könnten. Zwar sei der ÖPNV nicht auf Gewinn angelegt, aber ein Ein-Euro-Ticket wäre eben viel günstiger als ein reguläres Abo-Ticket und würde durchaus für große Defizite sorgen. Reutter plädiert allerdings dafür, auszuprobieren und zu testen – unter wissenschaftlicher Begleitung. In Wuppertal würde er aber lieber das Bürgerticket umsetzen (siehe Kasten).

Die Stadtwerke möchten sich nicht zu einem neuen Finanzierungsmodell äußern. Das sei eine politische Entscheidung.

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