Offen gesagt Und sie fehlt...

Liebe Schwebebahn, du fehlst! Du machst den Unterschied zu allen anderen Städten der Welt aus. Wenn du über unseren Köpfen quietschst und ratterst, oder wenn wir mit dir durch das Tal schweben, dann haben wir das Gefühl, in einer ganz besonderen Stadt zu leben.

Am Wuppertaler Himmel wirken die hellblauen Bahnen wie ein Versprechen auf die Zukunft. Du fährst an unzähligen Fenstern, an Büros vorbei, wir haben an vielen Orten unser Zuhause und unsere Arbeitsplätze nach dir ausgerichtet. Du gibst im Tal den Takt vor, auch wenn du selbst nicht immer im Takt bleibst. Daher können wir eigentlich nicht auf Dich verzichten – und müssen es doch.

Wuppertal hängt an seiner Schwebebahn – das hat nicht nur emotionale Gründe. 80 000 Fahrgäste werden täglich mit den Bahnen transportiert, die sich auf nicht absehbare Zeit auf andere Verkehrsmittel verteilen müssen. Wäre alles nach Plan gelaufen, dann wäre der Verkehrsknotenpunkt Döppersberg mit der Einweihung des neuen Busbahnhofes am 25.November komplett gewesen. Doch ohne die Schwebebahn ist der Öffentliche Nahverkehr in Wuppertal vorerst nur Stückwerk. Das ist nicht gut für unsere Nerven, weil wir länger im Stau stehen und es ist nicht gut für unsere Luft, weil jetzt auf den Straßen noch mehr Busse und Autos unterwegs sind. Schade ist es vor allem für die Gäste unserer Stadt, denn wer nach Wuppertal kommt, der will doch zumindest einmal im Leben durch das Tal schweben.

Seit dem 18. November ist alles anders. Seit dem Unfall am Sonnborner Ufer hat Wuppertal ein großes ungelöstes Problem, an das man bei jedem Blick auf das leere Schwebebahngerüst erinnert wird. Am schlimmsten ist die Ungewissheit, wie lange die Schwebebahn noch ausfallen wird. Den Wuppertaler Stadtwerken geht es nicht besser als ihrer Kundschaft. Auch die WSW müssen abwarten, was die Suche nach der Unfallursache ergibt. Und dann müssen schnelle und gute Entscheidungen getroffen werden, damit die Schwebebahn bald wieder ihren Betrieb aufnehmen kann.

Dies wäre ein großartiges Signal für die Stadt. Stillstand kann sich Wuppertal in jeder Beziehung nicht leisten, denn das Tempo des weltweiten Wandels hat zugenommen. Der Ausfall der Schwebebahn ist zwar ein spezielles Problem, denn er geschah trotz der grundlegenden Sanierung des Schwebebahngerüstes. Er schmerzt allerdings umso mehr, weil es mit der Infrastruktur der Stadt nach Jahren der Sparzwänge nicht gut bestellt ist. Straßen, Brücken, Treppen – ein riesiger Investitionsstau hat sich gebildet. In einer auf mehr als 361000 Einwohner angewachsenen Stadt fehlt es weiterhin an Kitas und Schulen sowie am Personal im Rathaus, um den Bürgerservice zu verbessern.

Aufgrund der seit Jahren anhaltenden guten wirtschaftlichen Entwicklung hat sich allerdings ein Zeitfenster aufgetan, um einige Lücken zu schließen. Für 2019 geht die Stadt von einem ausgeglichenen Haushalt aus. Es dürfte sogar ein Plus möglich sein, um Schulden abzubauen. Der Beschluss des Stadtrats zum Bau des Pina-Bausch-Zentrums ist ein Beispiel dafür, dass die Stadt nicht nur den Mangel verwalten will. Der Beschluss ist ein Signal: Das Tanzzentrum im seit Jahren leerstehenden Schauspielhaus wird wie die Schwebebahn ein Alleinstellungsmerkmal Wuppertals sein, auch wenn es mit der Eröffnung noch bis 2025 dauern wird.

Mit dem Ende der Großen Kooperation von SPD und CDU bieten sich neue Chancen, das Zeitfenster bis zum sich anbahnenden wirtschaftlichen Abschwung zu nutzen. Weitere Projekte wie die Seilbahn und die Bundesgartenschau sollten allein sachlich beurteilt werden. Dass es im Stadtrat zu wechselnden politischen Mehrheiten kommen wird, belebt das Geschäft. Von daher wird 2019 ein spannendes Jahr.

2019 wird Wuppertal 90 Jahre alt. Das schönste Geschenk für die Wuppertaler wäre, wenn uns an möglichst vielen Tagen im kommenden Jubiläumsjahr die Schwebebahn in voller Fahrt dar-
an erinnern würde, in einer ganz besonderen Stadt zu leben.

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