Kolumne: Logbucheintrag 0.26 18 Monate meines Lebens

Wuppertal · Canan Clara Yedek erzählt von ihren Erfahrungen, die sie als Bufdi in Utopiastadt gesammelt hat. 18 Monate hat sie dort verbracht und sich handwerklich, wie auch persönlich weiterentwickelt.

 Canan Clara Yedek hat den Freiwilligendienst in Utopiastadt nicht bereut.

Canan Clara Yedek hat den Freiwilligendienst in Utopiastadt nicht bereut.

Foto: Dimitrij Haak

Wenn man einen Freiwilligendienst (BFD) antritt, tritt man mit gewissen Erwartungen an. Man macht sich Gedanken darüber, was man in diesem Jahr machen wird, was man für die Gesellschaft leisten kann und vor allem auch, was die Erfahrung einem selbst geben wird. Meine Gründe für einen BFD waren ganz simpel: Ich wusste nicht, was ich nach der Schule sonst machen sollte und brauchte dringend Unterstützung bei der Orientierung.

Coronavirus machte einen Strich durch die Rechnung

Meine Intentionen dafür, zu Utopiastadt zu gehen, waren genauso simpel: als links/grüne Aktivismus-Jugendliche mit großem Interesse an Kunst und Kultur, passten Utopiastadt und ich einfach zusammen wie Arsch auf Eimer. Letztendlich war es, wie auch sonst, das Coronavirus, das 90 Prozent meiner Erwartungen einen Strich durch die Rechnung machte. Veranstaltungen: abgesagt, Kunst und Kultur: online, Ich: enttäuscht.

Und so starteten dann meine zwölf Monate Utopiastadt – von denen ich anfangs gedacht hätte, sie würden sich eher verkürzen. Nie hätte ich gedacht ich würde das Jahr verlängern, schliesslich hatte ich mir Kunst und Kultur vorgestellt und nicht Hammer und Bohrer. Aber so kam es dann: Ich, handwerklich unterbegabt, gerade mal dazu in der Lage, einen Nagel ins Holz zu hämmern, stand auf einmal vor der Aufgabe, einen Bahnhof zu sanieren.

Anfangs hielt ich mich etwas zurück, war distanziert den Menschen gegenüber, die ich kennenlernte und mit denen ich arbeitete, immerhin spielte ich noch mit dem Gedanken, abzubrechen.

Als ich dann aber realisierte, was für ein wundervolles Team in und um Utopiastadt zusammenarbeitet, wollte ich doch unbedingt ein Teil davon sein. Ich schloss Freundschaften und hatte auf einmal eine Gruppe von Leuten um mich herum, die ich sehr lieb gewonnen hatte. Mit beachtlicher Geduld haben diese Personen mir dann Stück für Stück ihr handwerkliches Können beigebracht.

Sie haben großes Verständnis für meine Grenzen aufgebracht und diese respektiert, mich gleichzeitig aber auch motiviert und ermutigt diese Grenzen zu überwinden. Unerwartet hatte ich irgendwann sogar Spaß daran mich handwerklich zu betätigen und habe vor allem die Freude daran entdeckt, mit einem Presslufthammer Böden in Schutt zu verwandeln und Fenster zu sanieren.

Ich konnte bei Utopiastadt jedoch nicht nur etwas übers Handwerk, sondern auch viel über mich selbst lernen. Das verdanke ich vor allem meinen Kollegen und vielen Stunden intensiver, manchmal schon fast philosophischer Gespräche.

Utpiastadt ist ein kleines bisschen wie ein Zuhause

Rückblickend bereue ich keine einzige Sekunde der 18 Monate und würde mich immer wieder für Utopiastadt als Einsatzstelle entscheiden. Ich habe unglaublich viele Erfahrungen gesammelt, habe tolle Freundschaften geknüpft, habe dabei geholfen, einen wunderbaren Ort aufzubauen, an dem tolle Menschen zusammenkommen können, um ihre Ideen zu verwirklichen.

Ich habe einen Ort gefunden, zu dem ich immer wieder zurückkommen werde, und es wird sich immer ein kleines bisschen so anfühlen, wie nach Hause zu kommen.

Utopiastadt braucht neue Bufdis. Informationen dazu gibt es auch online.

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