Perspektiven Die Türen öffnen für mehr Diversität in Kunst und Kultur

Kathrin Schwarz über die Hürden, die es auf dem Weg zu Fördermitteln zu überwinden gilt.

Ich bin eine in Wuppertal lebende Künstlerin, kann Deutsch und habe die nötigen Kontakte, um an Informationen zu kommen, die ich brauchen könnte – dachte ich jedenfalls. Vor einigen Wochen setzte ich mich mit meinem Künstlerinnen-Kollektiv Yaya zusammen und wir dachten über mögliche Förderprogramme nach, die uns gemeinschaftlich und individuell fördern könnten. Wir tauschten uns aus, recherchierten, telefonierten herum. Und stellten fest, dass aus unterschiedlichen Gründen diese Förderprogramme nicht an alle gerichtet sind und vor allem Mitglieder marginalisierter Personengruppen nicht daran teilhaben können. Die Erkenntnis der Wichtigkeit von Diversität scheint an einigen Stellen des Landes angekommen zu sein, doch wird es nicht mit gutem Gewissen und angemessener Schnelligkeit umgesetzt.

Schon bei der Recherche
liegt ein großer Stein im Weg

Aus eigener Erfahrung und trotz der oben genannten Eigenschaften, fällt es auch mir schwer, sich einen Überblick über das bestehende Angebot und die Ausschreibungen der Förderungen zu verschaffen. Befindet man sich nicht direkt an der Quelle oder hat neben sich eine Person mit entsprechenden Erfahrungen im Hinblick auf Kunst- und Kulturförderungen, dann ist der Zugang zu den nötigen Informationen schwer oder man bekommt von so einer Art Förderprogramm überhaupt nichts mit. Personengruppen, die die Verwaltungssprache nicht verstehen oder nicht meisterhaft die deutsche Sprache beherrschen, wird schon bei der Recherche ein großer Stein in den Weg gelegt.

Als Beispiel für fehlende Informationen würde ich meine Mutter nehmen. Ich habe ihr bei meinem letzten Sonntagsbesuch von Förderprogrammen und Ideen erzählt, die auch für sie und ihre Mitstreiter realisierbar wären. Ich sprach von Orten, an denen Personen mit unterschiedlichen Geschichten sich austauschen können, ein Café für deutsch-russische Zusammenkünfte mit kulturell geprägten Speisen, an Kulturstätten als Ort für Personen, die mit Einsamkeit zu kämpfen haben, weil ihnen die Sprachkenntnis fehlt, um am bestehenden Angebot teilhaben zu können – Orte und Möglichkeiten, die von Fördertöpfen unterstützt werden würden, wenn man davon wissen würde. Sie glaubte mir nicht. Sie sagte: „Von so etwas habe ich noch nie gehört. Glaube ich nicht.“ Sie lebt seit 1996 in Deutschland.

Sollte man sich informiert und beworben haben können, steht man vor der nächsten Hürde. Eine aufgestellte Jury entscheidet darüber, wer mit welchem Vorhaben gefördert wird. In den meisten Fällen, korrigiert mich, wenn ich falsch liegen sollte, ist die Jury nicht divers aufgestellt. Eine Jury mit mehrheitlich deutschen Mitgliedern mit Hochschulabschluss, Vertreter einer bestimmten Personengruppe, die unterschiedliche Diskriminierungsformen nicht erfahren haben und die einen gewissen Standard von Sprache und Bildung von den möglichen Geförderten erwarten. Diese Tatsache zieht sich durch alle Ebenen. Durch die Kulturbüros der einzelnen Städte, der Beratungsstellen, der Ministerien des Landes unterschiedlicher Aufgabenbereiche.

Die Jury sollte unsere
Bevölkerung repräsentieren

Wenn man sich mit diesem Problem auseinandersetzt, würde es einem Lösungsansatz zunächst einmal helfen, zu überlegen, ob die aufgestellte Jury unsere Bevölkerung repräsentiert. Sitzen in der Jury nur deutsche, studierte Männer, dann läuft in der Umsetzung der Diversität etwas gewaltig schief. Sollte eine diverse Umstellung des Personals nicht direkt umsetzbar sein, könnte man ein Bewusstsein für verschiedene Arten von Diskriminierung in Form von Workshops, Veranstaltungen und Weiterbildung schaffen. Es fehlt häufig das Wissen, dass Diskriminierung nicht nur in aktiver Form existiert, sondern sich auch in unbewussten Denkmustern und Handlungen widerspiegeln kann.

Das Kunst- und Kulturangebot wird sich um einiges erweitern, dadurch, dass marginalisierte Gruppen mehr informiert werden und eine divers aufgestellte beziehungsweise eine auf Antidiskriminierung geschulte Jury die vorhandenen Ausschlusskriterien minimieren. Und letzten Endes ist die Grundaufgabe von Förderprogrammen, Personen und Ideen, die einer Förderung bedürfen, zu unterstützen.

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