10 Euro am Tag - mehr nicht

Simone Linde ist alleinerziehende Mutter, lebt von Hartz-IV und muss an allen Ecken sparen.

Wuppertal. Wer arm ist, muss gut planen. Simone Linde (Namen von der Redaktion geändert) ist den ganzen Tag unterwegs, um sich und vor allem ihrem sechsjährigen Sohn Mike ein normales Leben zu ermöglichen.

Dreimal pro Woche besucht die allein erziehende Mutter verschiedene Ausgabestellen der Wuppertaler Tafel. "Da bin ich immer den ganzen Vormittag unterwegs. Montags stelle ich mich um 10 Uhr an, um 11 Uhr werden die Nummern verteilt - wenn man ganz weit hinten steht, gibt es manchmal gar keine mehr" - die Hartz-IV-Empfängerin kennt das Prozedere.

Mittwochs werden die Nummern um 10 Uhr ausgegeben, die Lebensmittel aber erst um 12 Uhr verteilt. Dann muss sie zwischendurch noch ihren Sohn vom Kindergarten abholen. "Er kennt das aber nur unter Obst- und Gemüseladen. Für ihn kaufen wir da ganz normal ein." Noch soll er die Situation seiner Mutter nicht erkennen. "Ich möchte dem Jungen begreiflich machen, dass man arbeiten muss."

Der Speiseplan richtet sich nach dem, was die Tafel bietet, Not macht erfinderisch. Schlechte Stellen im Gemüse werden herausgeschnitten, faulige Salatblätter entfernt, bei größeren Mengen wandert ein Teil in den Tiefkühlschrank. "Manchmal gibt es sogar Butter oder Spargel." Nur Fleisch kauft Simone Linde im Laden, und Dinge wie Nudeln oder Chips und Getränke.

Kleidung besorgt die 40-Jährige aus den Kleiderkammern oder beim Discounter. "Diesen Monat gab es gleich am Anfang Fußballschuhe und Tricots. Das hat ein Loch in die Kasse gerissen."

Trotzdem kauft die Hartz-IV-Empfängerin die Ausrüstung, damit ihr Sohn auch weiterhin im Fußballverein trainieren kann. Lieber verzichtet sie auf ein Stück Fleisch am Wochenende oder kleine Extras wie ein Eis. Eine entscheidende Hilfe ist der Treff für Alleinerziehende an der Münzstraße, wo sie ein oder zwei Vormittage pro Woche verbringt.

Dort bekommt sie gebrauchte Kleidungsstücke für ihren Sohn und gibt ihrerseits Hosen und Pullis weiter. Sonntags wird gespielt, so dass auch dieser Tag ohne größere Ausgaben gerettet ist. Und dort tauschen die Mütter auch Informationen über Hilfsangebote aus. So bekam etwa Mike Anfang des Jahres vier Spiele von der Toys-Company, die gebrauchte Spielsachen repariert und an Bedürftige weitergibt.

Der Geburtstag ist dadurch schon gerettet - auch wenn der sehnlich gewünschte Gameboy Traum bleiben muss. "Das geht einfach nicht." Stattdessen spart Linde für die Einschulung. Beim Schultornister möchte sie keine Kompromisse eingehen. "Man will ja nicht hintenan stehen."

Also durfte sich Mike einen teuren Markentornister aussuchen. Bisher jedoch ist die Summe noch nicht zusammen; und dann kommen noch Turnausrüstung, Schere, Kleber und Hausschuhe dazu.

Wie viel die Hartz-IV-Empfängerin pro Monat bekommt, weiß sie aus dem Kopf: 347 Euro plus 400 Euro Miete plus 126 Euro Alleinerziehenden-Mehrbedarf ("aber das nur, bis mein Sohn sieben Jahre alt wird"), einen Warmwasserzuschuss und 168 Euro aus der Unterhaltsvorschusskasse. Dazu kommen jeweils am 20., wenn das Geld knapp wird, 154 Euro Kindergeld. "Ich habe im Schnitt zehn Euro am Tag zur Verfügung", hat sie ausgerechnet.

Eine Rückkehr in den Beruf sieht sie angesichts ihres Sohnes nicht so bald. "Für eine Reiseverkehrskauffrau gibt es keine Halbtagsstellen am Vormittag." Gerne hätte sie als Tagesmutter gearbeitet. Doch sie bekam für die notwendigen sieben Wochen Schulung keinen Tagesplatz in ihrem Kindergarten. Und so sucht sie weiter nach Sonderangeboten und entwickelt Fantasie, um Mike doch noch den einen oder anderen Wunsch zu erfüllen.

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