Demonstrationsrecht Versammlungsgesetz soll entschärft werden

DÜSSELDORF · Schwarz-Gelb in NRW stellt neue Pläne für das Demonstrationsrecht vor – Opposition im Landtag kritisiert weiterhin Grundrechtseinschränkung.

 Eine der Gegendemonstrationen gegen das geplante Gesetz, Ende August in Düsseldorf.

Eine der Gegendemonstrationen gegen das geplante Gesetz, Ende August in Düsseldorf.

Foto: dpa/Roberto Pfeil

Die schwarz-gelbe Koalition in Nordrhein-Westfalen will das seit Monaten geplante, hoch umstrittene Versammlungsgesetz entschärfen. Die beiden Fraktionschefs von CDU und FDP, Bodo Löttgen und Christof Rasche, holten zu ihrer kurzfristig anberaumten Pressekonferenz am Montag auch Landesinnenminister Herbert Reul (CDU) mit ins Boot, um ihre große Einigkeit zu zeigen. Die Botschaft: man sei nunmehr den Kritikern des neuen Demonstrationsrechts doch sehr weit entgegengekommen. „An diesem Gesetz  wird es kaum noch Kritik geben“, glaubt Rasche. Und Reul ergänzt, er wisse nicht, „was die SPD da noch dagegen haben will“. Eine Fehleinschätzung, wie sich später herausstellen sollte.

Länder für das Demonstrationsrecht zuständig

Vor 15 Jahren ging mit der Föderalismusreform die Zuständigkeit für versammlungsrechtliche Regelungen vom Bund auf die Länder über. Erst sechs Länder nutzen diese neue Gesetzgebungskompetenz seither mit eigenen Landesversammlungsgesetzen. In den anderen gilt das Versammlungsgesetz des Bundes weiter. Auch in NRW ist das bislang so. Doch mittlerweile hat die CDU/FDP-Landesregierung das heiße Eisen angepackt und sich eben damit massiven Widerspruch eingehandelt. Es gab diverse Protestdemonstrationen. Gewerkschafter, Umweltschützer, Fußballfans und andere Gruppierungen, aber auch rechtliche Experten meldeten  in der parlamentarischen Anhörung Kritik an.  Die Befürchtung: Das Grundrecht der Versammlungsfreiheit werde beschnitten. Festgemacht wurde das an verschiedenen Punkten des schwarz-gelben Gesetzentwurfs.

Insbesondere: Polizeiliche Video-Übersichtsaufnahmen würden die  Menschen einschüchtern und von der Demo-Teilnahme abhalten. Das geplante Verbot von militantem Auftreten, etwa durch gleichartige Kleidung, könnte auch die bei Klimaschutzdemos benutzten weißen Maler-Overalls erfassen. Oder Trikots von Fußballfans. Oder einheitliche Westen bei gewerkschaftlich organisierten Demos. Und: Gegendemonstrationen, etwa gegen Nazi-Aufmärsche, könnten nach den neuen Regeln verboten werden.

Der massive Protest ließ die Politiker von CDU und FDP nicht unbeeindruckt. Es habe sich um Missverständnisse gehandelt, der Protest habe sie überrascht, und nun sei man an verschiedenen Stellen des Gesetzentwurfs klarer geworden, sagten sie bei ihrer Pressekonferenz im Landtag. Präziser seien die Regelungen jetzt, und es gebe kleine Änderungen in der Substanz, sagte FDP-Mann Christof Rasche.

Kernpunkte, bei denen Schwarz-Gelb nachbessern will

Das bisherige Militanzverbot heißt nun in der Überschrift des entsprechenden Paragrafen 18 „Gewalt- und Einschüchterungsverbot“. Schwarz-Gelb will damit den Befürchtungen begegnen, bereits das friedliche Tragen einheitlicher, uniformierter Kleidung oder das Absingen von Vereinsliedern in „Marschkolonne“ könnte die Polizei in Zukunft veranlassen, einen Verstoß gegen das Militanzverbot zu bejahen. So sei das nie beabsichtigt gewesen, stellten die Politiker klar. Innenminister Reul: „Wir sagen ja nicht, dass Uniformen verboten sind, sondern Versammlungen, von denen Gewalt ausgeht. Oder wenn sie einschüchtern.“ Das Tragen von Uniformen als solches sei eben nicht verboten, sondern nur, wenn dies mit Gewalt und Einschüchterung verbunden sei. Auch weiße Maleranzüge der Demonstranten von „Ende Gelände“ (Aktivisten, die sich gegen den Braunkohleabbau wenden) seien nicht illegal. Es komme immer auf das Verhalten an, wann und ob die Schwelle von Gewalt und Einschüchterung überschritten ist.

Den Befürchtungen, es seien demnächst keine Gegendemonstrationen mehr möglich, treten die schwarz-gelben Politiker entgegen. Reul sagt dazu: „Es gab die Sorgen, dass es keine Gegendemonstrationen mehr geben wird. Das war nie die Absicht. Wir wollen sichern, dass man grundgesetzlich garantierte Versammlungen nicht stören darf. Darum haben wir in den Paragraf 7 diesen Absatz angefügt: „Nicht auf Behinderung zielende kommunikative Gegenproteste unterfallen nicht dem Störungsverbot.“ Das stelle klar, dass Gegendemonstrationen nicht untersagt seien, „aber man darf die andere Demonstration nicht in ihrem Ablauf stören oder zum Erliegen bringen“.

Und was ist mit den Übersichts-Videoaufnahmen, die die Polizei anfertigen darf?  Diese soll es auch weiterhin geben können. Schwarz-Gelb schreibt in den Gesetzentwurf aber nun hinein, dass in Fällen, in denen dies geschehen soll, dies durch schriftliche oder mündliche Ansprache der Polizei jedem Demo-Teilnehmer angekündigt werden muss. So dass er oder sie sich dann noch von der Demonstration entfernen kann.

Grüne und SPD sagen weiterhin Nein zu den Plänen

Eine Regelung, mit der sich die oppositionellen Grünen nicht abfinden wollen. Verena Schäffer, Grünen-Co-Fraktionschefin, sieht generell in solchen von Drohnen aus der Vogelperspektive gemachten Aufnahmen eine ungewünschte Wirkung. Einen Umstand, der die Menschen davon abhalten kann, ihr Demonstrationsrecht wahrzunehmen. Die Aufnahmen könnten auch aus großer Höhe die Teilnehmer identifizierbar machen. Schäffer gesteht Schwarz-Gelb zwar zu, dass die nun angekündigten Änderungen einige Verbesserungen gegenüber dem ursprünglichen Entwurf brächten. Wegen diverser verbliebener Regelungen handle es sich aber weiterhin um ein „Versammlungsverhinderungsgesetz“. Dies widerspreche dem Grundrecht auf Versammlungsfreiheit. Die Grünen jedenfalls würden dem Gesetz im Landtag nicht zustimmen.

Auch die SPD will das so nicht mitmachen. Deren Fraktionsvize Sven Wolf sagt: „Die SPD-Fraktion wird auch dem Änderungsentwurf nicht zustimmen. Es gibt viele kosmetische Korrekturen. Aber der Kern bleibt, ein Gesetz um Versammlungen zu verhindern und Verstöße dagegen als Straftat zu verfolgen. Auch die unpraktischen Regeln, Versammlungsleiter durch die zuständige Behörde vorher abzulehnen, passt nicht zum Grundrecht auf Versammlungsfreiheit.“

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