Erst Kirche, später Gefängnis – und jetzt ein Wein-Tempel

Dorfstraße: In der Belle Étage des geschichtsträchtigen Gebäudes residiert nun eine Vinothek.

Sprockhövel. Wie zum Gebet geht Ralf Sondermann vor seinem Weinregal in die Knie, liest Etikettentexte ab und kehrt mit seiner Antwort zurück: "Château Laurent 1992."

Oder, um den Allerweltsnamen Laurent zu präzisieren: Château des Laurets, ein Puisseguin-Saint-Émilion, Erzeugnis der legendären Familie Rothschild.

Diese wahre Pracht steht gleich neben einem ebenso kostbaren Pouilly-Fumé reichlich unbeachtet auf dem untersten Regalboden in der Haßlinghauser "Vinothek Dorfstraße 13", die am Wochenende ihre Pforten öffnete.

Sondermann - Koch, Konditor und Inhaber von Feinkost Huwer - legt den Schwerpunkt auch gar nicht erst auf solch hochpreisige Erzeugnisse, von denen ein Fläschchen mit 100Euro auf den Tisch käme.

Gutes Mittelfeld lautet seine Devise. 60 Sorten aus den namhaften Weinregionen der Welt will Sondermann ständig parat haben und dazu mediterrane Küche servieren. "Wir feilen jeden Tag am Konzept", erklärt er.

Diese Philosophie des Wachsens und Reifens spiegelt durchaus die Geschichte des Hauses an der Dorfstraße, das als Kapellenschule gebaut wurde, um später Kirche und gar Gefängnis zu werden.

1986 veräußerte die Stadt das denkmalgeschützte Gebäude an die Kochshow-Pionierin Friederun Köhnen (siehe Meldung rechts und Kasten).

Im Dezember 2007 wurde bekannt, dass die Stadt die ehemalige Versuchsküche im Tausch gegen ein Grundstück wieder in ihre Obhut nehmen und dort einen Bürgertreffpunkt mit Gastronomie in der ersten Etage einrichten wird.

Während im Erdgeschoss die Umbauarbeiten voranschreiten (die WZ berichtete), ist die Belle Étage, die die Stadt an Sondermann vermietet hat, komplett.

72 Plätze hätten ihm seine Planer in der Vinothek einrichten können, sagt Sondermann. Mit solcher Enge kann er allerdings schwer leben und hat sich deshalb auf 45 Plätze mit der Option auf "Notsitze" bei Bedarf beschränkt.

Das geschmackvolle, moderne Ambiente rings um den Kamin mit Blick auf die offene Küche atmet Leichtigkeit. Die tagesaktuelle Speisekarte wird mit einem Beamer an die Wand gestrahlt, sie soll mit dem Inhalt der derzeit noch fragmentarischen Website korrespondieren.

Aus dem großen Saal der Vinothek führt eine Treppe unters Dach in eine Lounge mit Ledersesseln für alle, die Rückzugsbedarf haben. Dort oben spielt Saxofonist Raphael Pecylak am Eröffnungstag ein herzerweichendes "Yesterday".

Diese festliche Stimmung will Ralf Sondermann aber keineswegs auf Feiertage beschränken. Sie soll vielmehr Programm für die Vinothek werden, die nach gegenwärtigen Planungen mit vier Angestellten besetzt sein wird.

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