Dormagen: Brückenschlag zwischen den Kulturen

An einem Informationsabend stellte das Jugendamt mit dem Integrationsrat kulturelle Unterschiede und Gemeinsamkeiten zwischen Christentum und Islam heraus.

Dormagen. Spreche ich die türkischen Eltern darauf an, dass die schulischen Leistungen ihres Sohnes während des Ramadan wegen mangelnder Nahrungsaufnahme nachlassen? Kann ich dem Vater sagen, dass es gut wäre, wenn auch die Mutter zum Elternsprechtag erscheint?

Hemmungen vor der direkten Ansprache und die Angst, Gefühle zu verletzen, erweisen sich häufig im deutsch-türkischen Miteinander als große Hürden, die nicht selten zu Missverständnissen und Sprachlosigkeit führen.

Besonders Pädagogen, Erzieher und Mitarbeiter von sozialen Einrichtungen können davon ein Lied singen. Ein Stück Vermittlungsarbeit leistete jetzt das Jugendamt in Zusammenarbeit mit dem Integrationsrat und lud unter dem Titel "Kulturelle Unterschiede und Gemeinsamkeiten" Multiplikatoren zu einem Infoabend mit dem Leiter des Kölner Gesundheitszentrum für Migranten, Arif Ünal, in die Kulle ein.

"Fragen Sie, haben sie keine falsche Scham", so Arif Ünal und appellierte an die Runde, stets das direkte Gespräch zu suchen ohne Ressentiments. Aus seiner eigenen Praxis als Mediziner und Therapeut konnte er berichten, dass es sich gerade bei muslimischen Migranten, entgegen der unter Deutschen häufig festgefahrenen Ansicht, eben nicht um eine homogene Gruppe mit gleichen Moralvorstellungen handelt.

So könne es durchaus vorkommen, dass die tief verschleierte Frau ganz offen über ihre Beziehungsprobleme rede und die modern wirkende Glaubensschwester völlig reserviert konservativ reagiere.

Immer wieder muss Ünal in seinen Vorträgen darauf hinweisen, dass lange nicht jeder Muslim streng gläubig ist: "Es ist ein großer Unterschied, ob jemand aus Pakistan, Arabien oder der Türkei kommt." Das ist nicht so viel anders wie bei den Christen. Viele gehen regelmäßig in die Moschee, andere nur an Feiertagen oder gar nicht.

Gerade die Jugendlichen, so Ünal, gehörten selten zu den Strengläubigen. Hier musste er insbesondere den Vertretern der Polizei unter den Zuhörern auf den Weg geben, dass bezüglich der auffälligen türkischen Jugendlichen dringend "Brückenbauer" aus dem gleichen Kulturkreis benötigt werden. "Sie werden nur schwer an diese Jugendlichen herankommen", so Ünal.

Hier seien die türkischen Kulturvereine gefragt, Aufklärungsarbeit zu betreiben, ebenso seien türkischsprachige Streetworker ein sinnvoller Ansatz, um mit diesen Jugendlichen ins Gespräch zu kommen. Effektive Netzwerke zwischen Migrantenorganisationen und öffentlichen Einrichtungen gelte es aufzubauen.

Auch Informationsveranstaltungen in Sachen Drogenprävention, Erziehung und Bildung in den Moscheen vor Ort seien ein sinnvoller Weg. "Seien sie vor allem emphatisch und zeigen sie ehrliches Interesse für die Belange der Migranten, nur so fühlen sie sich aufgenommen", so Ünal. Dies sei der wichtigste Schritt für eine gelingende Integration. Hier sei auch ein gesellschaftliches Umdenken gefragt.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort