2. März 1945: US-Truppen nehmen Neuss ein

Für die Menschen in der Stadt war der Krieg vorbei. Das Ziel der Alliierten, die Rheinbrücken unbeschädigt in ihren Besitz zu bringen, scheiterte: Eisenbahnbrücke, Südbrücke und Oberkasseler Brücke wurden am Morgen des 3. März von den Deutschen gesprengt.

Neuss. "Operation Grenade", Unternehmen Granate, hieß der Vorstoß der Amerikaner. Ab 23. Februar 1945 rückten sie vom Westen her auf den Rhein vor. Erst nahmen sie Mönchengladbach ein. Am frühen Morgen des 2. März, vor 65 Jahren, erreichten die Truppen die Neusser Innenstadt.

Für die Menschen in der Stadt war der Krieg vorbei. Das Ziel der Alliierten, die Rheinbrücken unbeschädigt in ihren Besitz zu bringen, scheiterte: Eisenbahnbrücke, Südbrücke und Oberkasseler Brücke wurden am Morgen des 3. März von den Deutschen gesprengt.

Bevor die Soldaten die Stadt erreichten, war das Wehrbezirkskommando von Neuss ins Bergische Land verlagert worden, und die leitenden Parteifunktionäre hatten Neuss verlassen. Der Volkssturm hatte sich weitgehend aufgelöst.

"Kurz vor dem Zusammenbruch", so hat es Hildegard Welfens aufgeschrieben, "liefen die Parteigenossen aus dem Bunker heraus und stiegen auf Wagen, um sich davonzumachen. Und wir hatten doch immer noch furchtbare Angst vor denen. Auf einmal fingen 20 bis 30 Kinder an, (sie) zu beschimpfen: "Ihr Feiglinge! Ihr Unmenschen! Dieser blöde Hitler!" - und wir Erwachsenen haben nur geklatscht."

In der Stadt zurück blieben knapp 30.000 Neusser, die Hälfte der Bevölkerung zu Kriegsbeginn, und etwa 6000 "displaced persons", aus den besetzten Gebieten verschleppte Fremdarbeiter.

Die Amerikaner trafen im Bunker an der Promenadenstraße auf die Reste der Stadtverwaltung, die hier seit der Zerstörung des Rathauses am letzten Tag des Jahres 1944 arbeitete.

Harry Arns, später Beigeordneter und Stadtdirektor, wurde als Dolmetscher zum Bindeglied zwischen Besatzern und Verwaltung. Er erinnerte sich später: "Wir waren zunächst etwas überrascht, daß man uns nicht die Hände geben wollte. Das wurde abgelehnt. Die Situation war peinlich, aber das gehörte zum damaligen Befehl der ’non fraternisation’."

Mit drei Kriegsberichterstattern, die nach Düsseldorf blicken wollten, stieg Arns auf das Quirinusmünster. Die Nachbarstadt sollte erst am 17. April eingenommen werden.

Die Neusser erlebten den Einmarsch der fremden Truppen nach der quälend langen Zeit der Bombenangriffe zwischen Bangen und Hoffen. Margot Verweyen, geboren 1932, berichtet von dem Tag, als es an der Tür klopfte und ein betrunkener schwarzer Soldat davorstand.

"Meine Mutter sagte: "Gib dem Soldat die Hand und sag ihm etwas." Zitternd und bebend ging ich auf ihn zu, gab ihm die Hand und sagte: "Guten Tag, Herr Neger." Meine Mutter wurde blaß, aber der Soldat hatte das nicht verstanden."

Eine als Dolmetscherin eingesetzte Neusserin erinnert sich: "Was mich am meisten empörte, war die Würdelosigkeit, mit der einige stadtbekannte Nazis ihre Unschuld beteuerten und ihr Nazitum leugneten. So erschien zum Beispiel die Ehefrau eines Schuldirektors... mit einem stattlichen "Tagebuch", das ihr Mann angeblich schon seit Jahren mit Vorwürfen gegen die Partei geführt habe. Überzeugt, dass es erst in eifriger Tag- und Nachtarbeit während seines Hausarrest entstanden war, lehnte ich die Übersetzung strikt ab."

Und Matthjas Kreuels schreibt in diesen Tagen in seinen Notizen: "Es berührt uns eigentümlich, wenn die Bomberverbände über uns hinwegbrausen und wir in der Ferne Alarm ertönen hören. Diese Tortur ist für uns vorbei. Dann denken wir immer an die deutschen Mitmenschen."

Im April 19945 zogen die Amerikaner ab, und die Engländer besetzten wie in der Konferenz von Jalta festgelegt das nordwestliche Territorium des vormaligen Deutschen Reiches. Die Truppen sollten nicht lange bleiben: Nach der Kasernierung in Krefeld war Neuss im Oktober 1945 die erste Stadt ohne Besatzungstruppen. Ein Jahr darauf fanden die ersten Gemeindewahlen statt.

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