Scherenattacke: Mordversuch oder Notwehr?

Im August 2016 eskalierte im Nettetaler Krankenhaus ein Streit zwischen zwei Flüchtlingen. Gestern startete der Prozess.

Scherenattacke: Mordversuch oder Notwehr?
Foto: Busch

Nettetal. War es ein Mordversuch oder doch Notwehr? Wie es zum Angriff mit einer Schere im Nettetaler Krankenhaus im August des vergangenen Jahres kam, das bleibt auch nach der Aussage des Angeklagten Djamal B. und seines Opfers Mohammed T. unklar. Beide schilderten gestern den Ablauf der Tat, bei der Mohammed T. Stichverletzungen am Hals erlitten und zwei Tage auf der Intensivstation gelegen hatte, sowie den vorherigen Streit vollkommen gegensätzlich.

Gestern eröffnete die zweite Große Strafkammer des Landgerichts Krefeld den Prozess gegen den in Nettetal lebenden Algerier Djamal B. (32). Die Staatsanwaltschaft wirft ihm versuchten Mord in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung vor. Der Angeklagte soll den Marokkaner Mohammed T. im Krankenhaus Nettetal mit einer 20 Zentimeter langen, scharfen Schere angegriffen, mehrfach auf dessen Kopf und Hals eingestochen haben. T. sei die Flucht in anderes Zimmer gelungen, dort hielt er blutend die Tür zu — erst da habe der Angeklagte seine Tötungsabsicht aufgegeben.

An den Kampf im Krankenhaus konnte sich Djamal B. gestern nicht mehr genau erinnern. „Ich stand unter Schock.“ Er schilderte, dass er Angst vor Mohammed T. gehabt habe und zur Verteidigung eine Schere im Krankenhaus an sich genommen habe. B. ließ dort seine Wunden behandeln, die ihm Mohammed T. kurz zuvor bei einem Streit auf offener Straße zugefügt habe.

Die Männer haben sich nach B.’s Aussage in einer Flüchtlingsunterkunft kennengelernt, hatten losen Kontakt, den der Algerier aber abbrechen wollte. „Ich wusste, dass er kriminell und bereits im Gefängnis war. Ich wollte nichts mehr mit ihm zu tun haben“, schilderte er vor Gericht. T. habe ihn nachts „um 2, 3 Uhr“ telefonisch zu einem Treffen aufgefordert. Der Angeklagte sei nur hingegangen, weil er den Kontakt endgültig beenden wollte, Mohammed T. sollte seine Daten aus dem Handy löschen. Dabei eskalierte der Streit vor dem Hotel Majestic: T. habe ihn direkt angegriffen und eine Bierflasche auf seinem Kopf zerschlagen, beide gingen zu Boden. Der Angeklagte habe den Angriff bei der Polizei anzeigen wollen, T.s Handy habe er behalten. Während der Behandlung im Hospital habe ihn die Freundin des Marokkaners darauf angerufen und gebeten, auf die Anzeige zu verzichten. Als eine Krankenschwester Besuch für ihn ankündigte, „wusste ich, dass es nur Mohammed sein konnte und wollte mich verteidigen“, sagte er.

Mohammed T., der auch als Nebenkläger auftritt, bezeichnete den Angeklagten nur als „losen Bekannten“, den er am Abend zufällig auf der Straße getroffen habe. Zu der Prügelei sei es gekommen, als der andere ihn mit einem Stein und einem Küchenmesser bedroht und Geld von ihm verlangte habe. Er habe ihn nur mit der Bierflasche geschlagen, um sich zu verteidigen, sei dann weggelaufen. Zuhause habe er bemerkt, dass sein Handy fehlte. Der Angeklagte habe ihn damit angerufen und ins Hospital bestellt. Dort wollte er ihm das Mobiltelefon zurückgeben. Mit dem Taxi sei er dorthin gefahren, habe den Fahrer noch gebeten zu warten, da er nur kurz sein Handy holen wollte. Als die Männer sich trafen, habe Djamal ihn mit der verborgenen Schere attackiert und verfolgt. „Überall war Blut“, erinnert sich der Marokkaner. Er habe Angst um sein Leben gehabt und sich in einem Behandlungsraum verschanzt.

Der Prozess wird am 27. März fortgesetzt. Dann werden Zeugen wie die Freundin von Mohammed T. und Mitarbeiter aus dem Krankenhaus gehört.

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