Finanzen Die Kempener Geldsorgen

Kempen · Analyse Das prognostizierte Loch im Haushalt 2020 der Stadt Kempen wächst auf fast zehn Millionen Euro. Kämmerer Jörg Geulmann treibt die Sorge um, dass die Stadt bald im Haushaltssicherungskonzept landen könnte. Rat tagt am 17. Dezember.

 Um dringend notwendige Maßnahmen in Schulen und Kitas umzusetzen, muss die Stadt Kempen in den nächsten Jahren eine Menge Geld in die Hand nehmen.

Um dringend notwendige Maßnahmen in Schulen und Kitas umzusetzen, muss die Stadt Kempen in den nächsten Jahren eine Menge Geld in die Hand nehmen.

Foto: dpa/Sven Hoppe

Nach Meinung von Kämmerer Jörg Geulmann könnte Kempen bald etwas erreichen, was die Stadt in ihrer 725-jährigen Geschichte noch nicht geschafft hat. Die Rede ist jedoch nicht von etwas Positivem, sondern vom Haushaltssicherungskonzept (HSK). Ein Wort aus dem behördlichen Sprachgebrauch, dass die Finanzexperten in den Rathäusern aufschrecken lässt. Im HSK landen Kommunen, die ihre Defizite im Haushalt nicht mehr durch eigene Rücklagen ausgleichen können. Und sollte Kempen weiterhin so hohe Ausgaben zu bewältigen haben, droht womöglich nach 2022 das Haushaltssicherungskonzept. Dann, so Geulmanns Finanzplanung, könnte die Ausgleichsrücklage aufgebraucht sein.

Daher folgte bereits in der vergangenen Woche im Haupt- und Finanzausschuss die Warnung des Beigeordneten Geulmann: „Wir steuern mit Vollgas auf eine Haushaltssicherung zu, trotz guter Gewerbesteuerentwicklung.“ Sein jüngster Grund zur Besorgnis ist das größer gewordene Loch in der Haushaltsprognose für 2020. Statt 6,6 Millionen Euro, wie im September angenommen, kalkuliert Geulmann nun mit einem Minus von knapp zehn Millionen Euro. Auf den Cent genau sind es 9 841 464 Euro. Mit diesem dicken Minus soll der Etat 2020 am kommenden Dienstag, 17. Dezember, in der letzten Ratssitzung des Jahres verabschiedet werden. Die Sitzung beginnt um 17 Uhr im Rathaus. Die Fraktionsvorsitzenden werden ihre Haushaltsreden halten – gut neun Monate vor der Kommunalwahl dürfte dies besonders spannend werden.

Dass das kalkulierte Minus größer werden wird, hatte Kämmerer Geulmann schon bei der Haushaltseinbringung im September hinzugefügt. Schließlich standen mehrere Aufstockungen im Personalbereich an, die noch nicht beschlossen waren. Etwa eine Million Euro sollte man noch zusätzlich einplanen, so Geulmann damals. Nun steht aber auf der aktuellen Veränderungsliste die Zahl 2 218 648 Euro bei den zusätzlichen Aufwendungen im Personalbereich.

„In den Beratungen der Fraktionen hat sich ergeben, dass weitere Personalaufstockungen umgesetzt werden sollen“, sagte Bürgermeister Volker Rübo am Mittwoch auf Anfrage. So zum Beispiel im Bereich des Hochbauamtes, wo die Stadt dringend personelle Lücken stopfen müsse. Ebenso seien im Stellenplan des Erziehungsbereiches Ausweitungen vorgesehen. „Diese Entwicklung bei den Personalausgaben ist sicher mit Sorge zu betrachten“, so Rübo. „Allerdings können wir nur unsere Struktur stärken.“

Ein weiterer Kostentreiber im Haushalt 2020 ist das geplante Umkleidegebäude am St. Huberter Sportplatz, Stendener Straße. Dafür sind 1,15 Millionen Euro vorgesehen. Allerdings landet diese Summe nur im Haushalt 2020, weil die Maßnahme nicht mehr in diesem Jahr begonnen werden kann (die WZ berichtete). Es ist also nur eine Verschiebung der Mittel ins nächste Jahr.

Eine weitere Summe, die auf der Seite der zusätzlichen Ausgaben auffällt ist 490 000 Euro. So viel wollen Politik und Verwaltung im Rahmen der „Qualitätsoffensive“ in den Kindertagesstätten ausgeben. Dabei geht es um „diverse Neu- und Ersatzbeschaffungen“ in den Kitas.

Noch sprudelt die Gewerbesteuer in der Stadt Kempen

Auch auf der Einnahmeseite gibt es Veränderungen, was wie schon eingangs erwähnt den Kämmerer besonders nachdenklich stimmt. Denn die Gewerbesteuer sprudelt in Kempen weiterhin. Eingeplant waren im September für 2020 rund 24 Millionen Euro. Nun sollen es 24,5 Millionen Euro werden. Auch im laufenden Jahr verzeichnet die Stadt ein Plus: Statt der für 2019 kalkulierten 23,5 Millionen Euro sind es nun tatsächlich schon mehr als 27 Millionen Euro. Ergo muss die Stadt Kempen aus Sicht des Kämmerers etwas an der Ausgabenseite tun. Kurz vor dem Jahr der Kommunalwahl und womöglich vor einem Jahr der Wahlgeschenke folgte daher Geulmanns HSK-Hinweis an die Fraktionen.

Zumal die „Diva Gewerbesteuer“, wie Bürgermeister Rübo diese Einnahmequelle gerne nennt, nicht wirklich berechenbar ist. In vielen Rathäusern dürfte man sich derzeit schon den Kopf darüber zerbrechen, wann der von Experten angedrohte Konjunktureinbruch Realität wird. „Langfristig muss man mit einem Einbruch bei der Gewerbesteuer rechnen“, so Rübo im September.

Wechseln wir noch einmal zur Ausgabenseite, die die Politik im Auge haben muss. Die Kontrolle über diese Seite dürfte nämlich in den nächsten Jahren schwierig werden. Kempen muss und will kräftig investieren, weil dringend notwendige Maßnahmen seit Jahren auf sich warten lassen. Das meiste Geld muss und wird in die Sanierung der Schulen fließen. Ebenso müssen Kitas gebaut und das Rathaus am Buttermarkt saniert werden. Es seien „gut und gerne über 100 Millionen Euro“, die Kempen in der mittelfristigen Finanzplanung berücksichtigen müsse, so der Kämmerer vor einigen Monaten. Eine Summe, die derzeit in den Haushaltsplanungen noch gar nicht auftauche.

Die Sorge des Kempener Kämmerers scheint also durchaus berechtigt. Allerdings muss auch erwähnt werden, dass die Etatlöcher der vergangenen Prognosen meist nicht eingetreten sind. So schloss Kempen 2016 mit einem Plus von 5,3 Millionen Euro ab. In den vorläufigen Endergebnissen von 2017 und 2018 steht derzeit jeweils auch ein Plus von 3,4 bzw. 2,8 Millionen Euro. Ein Argument, mit dem Teile der Fraktionen schon seit Jahren dafür werben, nicht immer allzu konservativ zu planen.

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