Ratingen: KZ-Überlebender erzählt seine Geschichte

Vor sichtlich berührten Schülern des Berufskollegs sprach der Pole und Auschwitz-Häftling Tadeusz Sobolewicz über seinen Weg „aus der Hölle zurück“.

Ratingen. Ob er denn den Deutschen nach diesen Erlebnissen noch in die Augen schauen könne, fragte Jessica, eine Schülerin. Tadeusz Sobolewicz, der den Holocaust des Naziregimes hautnah erlebt hatte, erklärte: "Es ist kein Platz mehr da für Hass. Polen und Deutsche sind in Europa mittlerweile zu einer Einheit zusammengewachsen." 84 Jahre ist Sobolewicz alt. Er hatte die Reise von Krakau aus Polen nach Ratingen angetreten, um im Adam-Josef-Cüppers Berufskolleg als einer der wenigen noch lebenden Zeitzeugen von den Schandtaten Nazi-Deutschlands zu berichten.

"Aus der Hölle zurück" nannte der 84-Jährige seinen Vortrag. Er schilderte die Gräueltaten des Naziregimes auf Wunsch des Auditoriums in allen Details. Zugute kamen ihm dabei seine schauspielerischen Fähigkeiten, denn Sobolewicz arbeitete nach dem 2.Weltkrieg als Schauspieler in Polen. Zwei Schulstunden erzählte er, welche Unmenschlichkeit er erleiden musste.

Etwa 300 Schüler aus der Oberstufe - weitere Interessierte mussten aus Platzmangel draußen bleiben - hörten mit großem Interesse zu, waren mucksmäuschenstill und sichtlich beeindruckt. Mit ihrem Politik-Lehrer Thorsten Grewing hatten sich 14 Schüler auf dieses Thema im Rahmen der deutsch-polnischen Geschichtswerkstatt bestens vorbereitet.

Sie hatten dazu auch mit ihrer Partnerschule in Jaworznow (bei Krakau) im Oktober vergangenen Jahres das Konzentrationslager in Auschwitz besucht. Und waren schon davon zutiefst beeindruckt. "Es ist unglaublich, wenn man sieht, wie groß so eine KZ-Anlage ist. Wenn man das Krematorium sieht, wird einem schon schlecht", sagte Sascha Detmer (20) und fügte hinzu: "Ich finde es toll, dass der Zeitzeuge zu uns gekommen ist. Das ist so richtig authentisch."

Angefangen hatte der Holocaust für Sobolewicz 1939, als er 1939von den Nazis ins KZ Auschwitz verschleppt wurde. Sobelwiczs Vater war Major im Wiederstand. Sechs Jahre sollte das Martyrium des Jungen Tadeusz dauern und erst im März 1945 in Laufen bei Regensburg enden.

"Meine Abneigung gegen den Krieg ist nun noch größer geworden", sagte Matthias Jonas (17), dessen Eltern aus Polen stammen, nach diesem Vortrag. Denise Gessler (17) erklärte: "Diese Geschichte stimmt schon sehr nachdenklich. So etwas darf sich nie wiederholen. Ich habe schon viele Filme zum Holocaust gesehen, aber so ein persönlicher Vortrag eines Opfers ist etwas ganz anderes."

Zum Abschluss der Veranstaltung konnten die Schüler den Zeitzeugen befragen. "Wie ist denn Ihr Lebensgefühl heute?", fragte einer. Sobolewicz antwortete: "Ich hatte nach der ersten Woche mit diesen Erlebnissen einfach keine Lust mehr zu leben. Aber dann bekam ich von irgendjemandem eine Scheibe Brot, eine Köstlichkeit, geschenkt. Da habe ich gedacht, dass es doch noch etwas Menschliches auf dieser Welt gibt. Da wollte ich weiterleben."

Wie lange es denn gedauert habe, bis er wieder halbwegs ins Leben zurückgefunden habe, lautete eine weitere Frage. "Ich habe mit dem Wunsch, Schauspieler zu werden, ein neues Ziel gefunden. Das Theater hat meine Psyche gerettet. Aber die Last der Schreckenszeit ist bis heute geblieben."

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