Hilden: Lernschwäche ist ein Handicap

Die Pädagogisch-Therapeutische Einrichtung (PTE) am Mühlenhof betreut Kinder mit Problemen in der Schule.

Hilden. Eigentlich war Julia (Name von der Redaktion geändert) immer eine gute Schülerin. Nur mit Mathematik hatte sie bereits in der Grundschule Probleme. Doch dann wurden die Noten der 15-Jährigen auch in anderen Fächern immer schlechter. Um das Abitur auf dem Gymnasium noch zu schaffen, bekam Julia daher dreimal die Woche Nachhilfe.

Doch die Situation verbesserte sich nicht. Im Gegenteil: Julia schaltete völlig ab, ihre Eltern zogen aus Verzweiflung einen Jugendpsychiater zu Rate. Der diagnostizierte bei Julia eine Rechenschwäche und empfahl eine Lerntherapie.

So kam Julia zur Pädagogisch-Therapeutischen Einrichtung (PTE) in Hilden. "Sie stand unter einem enormen Druck", erzählt Armin Brost, Leiter der Einrichtung. "Und das Problem war nicht, dass sie nicht lernte, sondern, dass sie aufgrund ihrer Schwäche kaum noch Selbstbewusstsein hatte." Jahrelang hatte Julia versucht zu verbergen, dass sie einfachste Rechenaufgaben nicht lösen konnte - ein Stress, der sich auf die ganze Psyche auswirkte. In eineinhalb Jahren Therapie lernte sie, mit diesem Handicap umzugehen und zu akzeptieren, dass sie für manche Dinge eben länger braucht.

So wie Julia leiden etwa fünf Prozent aller Kinder eines Jahrgangs an einer Rechen- oder Lese- und Rechtschreibschwäche. An ADHS - einer Aufmerksamkeitsstörung - sind sogar sieben Prozent erkrankt. "Diese Zahlen sind über Jahre hinweg konstant", sagt der Kinder- und Jugendpsychotherapeut. Es handele sich keineswegs um eine Trenderscheinung. "Vor dreißig Jahren hatten genauso viele Kinder diese Schwächen, damals ist man mit den Problemen aber anders umgegangen."

Armin Brost gibt aber zu, dass besonders bei Kinder mit Aufmerksamkeitsstörungen die Diagnose sehr schwer ist. "Bei ADHS gibt es sehr viele Fehldiagnosen, aber auch genauso viele nicht erkannte Fälle." Auch die Behandlung von Kindern und Jugendlichen mit einer solchen Störung sei äußerst schwierig.

So könnten die Symptome zwar mit Medikamenten behandelt werden, doch die Ursache lässt sich so nicht beseitigen. "Ich spreche mich in diesen Fällen für eine Verhaltenstherapie aus, in der die Kinder lernen, ihre Gewohnheiten zu ändern. Sie legen sich Verhaltensmuster zu, die ihnen helfen, sich zu konzentrieren."

Dass nicht alle Kinder mit einer Rechen- oder Lese- und Rechtschreibschwäche in den Genuss einer solchen Förderungen kommen, ist Brost klar. Die gesetzlichen Kassen zahlen die Therapie nicht. Und nur bei einer nachgewiesenen Entwicklungsstörung, übernimmt die städtische Jugendhilfe die Kosten von rund 2000 Euro im Jahr.

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