NRW Voll integrierte Familie soll abgeschoben werden

Haan · Nach 13 Jahren in Deutschland soll eine Familie aus Haan nach Serbien abgeschoben werden. Die Kinder, allesamt hier geboren, gelten als vorbildliche Schüler. Kollegium, Erzieher und Pflegschaft der Grundschule Bollenberg starten jetzt eine Petition.

 Abschiebung droht (v.l.): Aneta (10), Medina (5), Mariana Stojkovic, Adelina (7), Mohammed (9) und Enis (6).

Abschiebung droht (v.l.): Aneta (10), Medina (5), Mariana Stojkovic, Adelina (7), Mohammed (9) und Enis (6).

Foto: Köhlen, Stephan (teph)

. Aneta (10), Medina (5), Adelina (7), Mohammed (9) und Enis Stojkovic (6) sind kleine Sonnenscheine: höfliche, freundliche Kinder – und das liegt nicht nur daran, dass an diesem Nachmittag vier ihrer Lehrerinnen aus der Grundschule Bollenberg zu Besuch gekommen sind. „Die Stojkovics sind einfach vorbildlich, fleißig und gut erzogen“, sagt Eva Wunsch. Die Fachlehrerin für Englisch und Kunst schwärmt in den höchsten Tönen, vor allem von den vier Schulkindern – die kleine Medina geht noch in den Kindergarten.

Der Grund, warum Wunsch und ihre Kolleginnen Frederike Hellmann, Julia Bender und Anna Bak an diesem Tag vorbeigekommen sind, ist indes dramatisch: Der Familie droht die Abschiebung nach Serbien, obwohl alle fünf Kinder in Deutschland geboren wurden und bestens integriert sind. 

Mariana Stojkovic, die 2008 als 14-jährige Roma mit ihren Eltern nach Deutschland kam und sich als alleinerziehende Mutter aufopferungsvoll um ihre Kinder kümmert, lebt seit 13 Jahren von Quartal zu Quartal. „Geduldet“ nennt sich ihr Status, der alle drei Monate verlängert werden muss.

Jetzt hat die Familie die amtliche Aufforderung bekommen, bis zum 1. September nach Serbien auszureisen, andernfalls drohe die Abschiebung. Dabei hatten die Stojkovics vor einigen Jahren dank der Vermittlung der Caritas sogar schon einmal eine Wohnung gefunden. „Das war toll. Leider musste unser Vermieter das kleine Fachwerkhaus irgendwann abreißen und hat uns wegen Eigenbedarfs gekündigt“, berichtet Mariana Stojkovic. Er habe sogar noch versucht, Ersatz zu besorgen, „aber in Haan war das nicht möglich“. Und nach Solingen, wo es Angebote gegeben hätte, darf die Familie nicht ziehen. Jetzt lebt sie in der Flüchtlingsunterkunft.

Auch Arbeitsstellen, die sich die fünffache Mutter auf Eigeninitiative besorgt hatte, habe sie wegen des Duldungsstatus nicht antreten dürfen. Sie spricht gut Deutsch, besucht trotzdem noch einen Deutschkurs, will vor allem Schreiben lernen. Gerade als sie das Gefühl hatte, es gehe wieder aufwärts, kam die Ausreise-Aufforderung.

Warum gerade jetzt – nach so langer Zeit? Wer hat das Verfahren ausgelöst? Gibt es eine Härtefallregelung? Auf Fragen unserer Redaktion teilte die Stadt Haan lediglich mit, das Fachamt für Soziales und Integration habe sich ebenso wie das für Integrationsmanagement in Haan zuständige Unternehmen European Homecare „intensiv mit der Sachlage beschäftigt und alle möglichen Hilfestellungen zur Verfügung gestellt“. Für aufenthaltsrechtliche Angelegenheiten sei aber das Ausländeramt des Kreises Mettmann zuständig. Der ließ nur wissen, aktuell sei keine Abschiebung vorgesehen: „Die Familie ist aufgefordert, freiwillig auszureisen.“

Eva Wunsch gibt die Hoffnung auf ein glückliches Ende nicht auf und will ebenso wie das gesamte Lehrerkollegium, die Schulpflegschaft und die Erzieherinnen der Grundschule Bollenberg für die Stojkovics kämpfen: „Hier geht es um Kinder, Schüler, die uns anvertraut wurden und die wir als sehr liebenswert, verlässlich und fleißig kennengelernt haben“, sagt sie: „Ihr Schicksal erschüttert mein Selbstverständnis von Menschlichkeit!“ Bei Haaner Einzelhändlern sollen nun Unterschriftenlisten ausgelegt werden, auch eine Online-Petition haben die Lehrerinnen gestartet (siehe Info).

„Die Stojkovic-Kinder sind hier geboren. Das ist ihre Heimat“, sagt Eva Wunsch. Daraus erwachse eine moralische Verpflichtung, sie nicht im Stich zu lassen: „Es ist die Frage von Mitmenschlichkeit angesichts des Unvermögens und Versagens von Verantwortlichen. Was man gerade global vielerorts beobachten kann, geschieht bei uns im kleinen Kosmos.“ Sie selbst sei mit den Werten der Zivilcourage erzogen worden, sagt die Lehrerin, deswegen sei ihr Handeln „selbstverständlich“: „Wir wollen nicht eines Morgens im Unterricht davon überrascht werden, dass unsere Schüler abgeschoben worden sind.“

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