Vom Bad Boy zum Schauspieler

Harun Ciftci war früher oft aggressiv — die Bühne hat ihn verändert. Dort wird er zum Vorbild für Kinder, die es schwer haben.

Vom Bad Boy zum Schauspieler
Foto: Andreas Bischof

Krefeld. Harun Ciftci hat ein freundliches Lächeln und einen aufmerksamen Blick. Wer ihn trifft oder das erste Mal auf der Bühne sieht, kann sich kaum vorstellen, dass das nicht immer so war. „Ich war früher so wütend, ein richtiger Rüpel. Ich habe sieben Jahre als Barkeeper in der Königsburg gearbeitet. Das Nachtleben macht dich kaputt“, sagt der 28-Jährige. Radikal hat er sich erst geändert, als er seine Berufung gefunden hatte: die Schauspielerei.

In dem Kinder-Theaterstück „Taksi to Istanbul“ steht der Krefelder momentan in Köln auf der Bühne. In der Vorbereitung hat er viele Kinder getroffen, in denen er sich wiedererkannt hat. „Wir sind mit einem Taxi zu Schulen und Jugendzentren in Kölner Problemvierteln gefahren und haben uns mit den Schülern unterhalten. Viele davon sagen, dass sie wütend sind. Ich kann das sehr gut nachvollziehen.“

Ciftci ist in Krefeld aufgewachsen. Seine Wut führt er auf viele Dinge zurück, aber auch auf die Oberflächlichkeiten, mit denen er als Kind türkischer Eltern zu kämpfen hatte. „Ich wusste gar nicht, was Heimat ist. Man hat mich immer als Türken gesehen. Ich bin aber hier geboren und aufgewachsen, spreche besser Deutsch als Türkisch. Irgendwann wollte ich dem gerecht werden und habe mich entsprechend verhalten. Ich habe eine Maske getragen.“ Klar geworden ist ihm das nicht über Nacht, sondern durch die Schauspielerei, die er schon in der Theater-AG seiner Schule kennengelernt hat. In Köln studiert er im sechsten Semester an einer privaten Schauspielschule. „Die Arbeit ist wie eine Selbstfindung. Nur dann kann man ein Künstler sein. Das ist oft emotional und hart. Man will alles hinschmeißen, aber das gehört eben auch dazu.“

Dass er sich sehr verändert hat, hört er oft von Familie und Freunden. Das bestätigt ihn darin, dass er mit der Schauspielerei die richtige Entscheidung getroffen hat. „Eigentlich haben mir alle eher davon abgeraten. Vor allem mein Vater, weil er sich als Ingenieur für mich einen ähnlich sicheren Beruf gewünscht hätte. Jetzt ist er stolz auf mich.“

Bei den Kindern und Jugendlichen, die das Stück sehen, will er bewirken, dass sie sich mit sich selbst auseinandersetzen. „Das Wichtigste ist, dass man zu sich steht. Vor allem, wenn andere einem erzählen wollen, wer man eigentlich ist.“

Im Stück vertritt er seine Meinung, dass er Deutscher ist. Sein Schauspielkollege lebt ebenfalls in Köln, er fühlt sich eher als Türke. „Da, wo man sich wohlfühlt, da ist die Heimat“, davon ist Ciftci überzeugt. Das will er auch seinem Sohn vermitteln. „Er ist neun Jahre alt und will Schauspieler werden, aber das kann sich ja noch ändern“, sagt er und grinst.

Heute betrachtet Ciftci seine Fehler aus einer anderen Perspektive. „Ich habe viel Mist gebaut, aber Fehler sind dazu da, um zu lernen. Erwachsen werden bedeutet, schlimme Dinge aushalten zu können, weil es auch wieder vorbeigeht.“ Nach Köln zu ziehen und etwas komplett Neues anzufangen, hat ihm geholfen, sich von seiner Vergangenheit zu distanzieren. „Ich bin viel ruhiger und ausgeglichener — kein Choleriker mehr.“

Mit seiner Rolle in dem Stück „Taksi to Istanbul“ ist er dort angekommen, wo er hin will: im Theater. „Ich hatte eine Rolle für eine Soap als Drogendealer, aber mir gefällt es nicht, in eine Schublade gesteckt zu werden. Im Theater Fuß zu fassen, wäre mein Wunsch. Aber das ist super hart.“ An einem Theater könne er viel mehr unterschiedliche Rollen übernehmen und die Arbeit wäre facettenreicher. „Am liebsten würde ich Mephisto in Goethes ,Faust’ spielen“, sagt er. „Aber im Theater gibt es auch ein Schubladendenken. Dort bin ich ein Exot.“

Er hofft, dass die Gesellschaft, das Multikulturelle immer mehr annimmt und sich diese Akzeptanz daraufhin auch in der Theaterlandschaft widerspiegelt. Ohne seinen Migrationshintergrund hätte er seine jetzige Rolle allerdings nicht bekommen. „Es gleicht sich halt alles im Leben aus“, sagt er und lacht.

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