Stoffe erzählen Geschichten

Tuniken zeigen christliche Figuren und Symbole. Die Kleidung ist Hunderte Jahre alt.

Krefeld. Joseph hat blonde Haare und einen Heiligenschein. Im Deutschen Textilmuseum erzählen Stoffe aus dem 7. und 8. Jahrhundert biblische Geschichte. Auf einem Medaillon sieht man, wie Joseph von einem seiner Brüder in den Brunnen geworfen wird und schließlich in Ägypten ankommt. Es wird rundherum erzählt, gegen den Uhrzeigersinn.

Die Stoffstücke aus der Museumssammlung stammen von Tuniken aus dem Land am Nil. „Ich bin der Meinung, es sind Christen gewesen, die diese Kleidung getragen haben“, erklärt Museumsleiterin Annette Schieck. Besonders der Heiligenschein spricht für christliche Besitzer.

Annette Schieck, Museumsleiterin

Als die Tuniken getragen wurden, herrschten in Ägypten schon die Araber. Die Verzierung auf einer Tunika lässt mehrere Schlüsse zu. Ihr Träger muss wohlhabend gewesen sein, denn die gewirkten Medaillons waren sehr teuer. Außerdem mussten die Ungläubigen eine hohe Kopfsteuer entrichten. „Man musste es sich leisten können, Christ zu bleiben“, sagt Schieck.

Die christliche Überzeugung ist auf einer der sogenannten Joseph-Tuniken deutlich zu sehen. Zwei Medaillons zieren die Vorderseite, zwei den Rücken und zwei die Schultern. Weltweit sind etwa 150 Fragmente bekannt. Es sind Textilien aus Wolle und Leinen, die wahrscheinlich in eigenen Werkstätten hergestellt und dann aufgenäht wurden.

Das Scharlachrot dieser Stücke wurde aus getrockneten Kermesläusen hergestellt — damals der zweitteuerste Farbstoff. Nur Purpur war teurer, wurde aber gerade in jener Zeit in Ägypten vom Rot abgelöst.

Die Fragmente in den Museen der Welt lassen erkennen, dass die Stücke nach einem Vorbild gefertigt wurden: Es sind abstrahierte Gesichter mit großen Augen und Attributen, die eine Zuordnung erlauben. Der Nimbus bei Joseph, die dunklere Haarfarbe seiner Brüder, die Hautfarbe des Karawanenführers. Joseph träumte — sogar eine kleine Wolke ist in den Stoff gewirkt, die diesen Traum zeigen soll.

Beim David-Zyklus ist es die Lyra, die eine eindeutige Zuordnung erlaubt: David konnte mit seinem Instrument die Menschen beruhigen und besänftigen. Der dominante Rot-Ton wurde aus Krappwurzeln gewonnen, er ist etwas heller als Scharlach. Bei den David-Zyklen erzählt jeder Aufsatz ein anderes Kapitel der Geschichte, während die Joseph-Medaillons sich auf einer Tunika wiederholen.

Warum im arabisch beherrschten Ägypten diese beiden biblischen Geschichten auf Stoff immer wieder erzählt wurden, dazu gibt es noch keine Forschungsergebnisse. Die Kunstfertigkeit der feinen Stücke ist jedenfalls sehenswert. Vom 23. Dezember bis zum 1. Januar hat das Museum am Andreasmarkt 8 allerdings geschlossen. Die Ausstellung „ars liturgica“ läuft bis zum 26. Januar.

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