Franziska Weitzels Gähnender Glatzkopf räumt ab

Für ihre hundemüde Skulptur hat die junge Bühnenplastikerin Franziska Weitzel einen bundesweiten Preis gewonnen.

Franziska Weitzels Gähnender Glatzkopf räumt ab
Foto: Dirk Jochmann

Krefeld. Ungeniert gähnt der Glatzkopf dem Betrachter ins Gesicht. Zähne, Zunge und Gaumen sind zu sehen, die Haut wirft Wellen, die Wangen blähen sich nach oben. Mit dieser eindrucksvollen Version eines Kunstwerks von Franz Xaver Messerschmidt hat eine Auszubildende des Theaters Krefeld-Mönchengladbach den bundesweiten Baden-Baden-Award gewonnen. Im Feld der Bühnenmaler und -plastiker nahm Franziska Weitzel bei der Verleihung den ersten Preis mit nach Hause.

Ihren „Gähner“ hat sie beim Blättern in alten Ausstellungskatalogen gefunden, und irgendwie war er ihr gleich sympathisch: „Ich bin auch eher ein ruhiges Gemüt“, sagt die 25-Jährige. Gemeinsam mit Ausbildungsleiter Ralf Meise war sie damals auf der Suche nach einem Übungsobjekt für die Technik des Modellierens.

Anhand von Bildmaterial hat sie sich an den gähnenden Glatzkopf „herangetastet“, wie sie sagt, hat eine winzige Abbildung groß kopiert und dann abgemalt. Allerdings gab es die Skulptur nur von vorn, so dass sie für die Rückansicht des feisten Stiernackens ungewöhnliche Wege gehen musste: „Ich habe im Internet das Foto eines Fußball-Hooligans gefunden und dafür verwendet“, verrät Weitzel.

Anhand eigener Zeichnungen begab sie sich ans Modellieren mit Ton. „Dabei ist es wichtig, beide Hände mit Werkzeugen zu bewaffnen, sonst verfällt man in eine Art Tonstreicheln“, erklärt Weitzel. Mit Modellhölzchen und improvisierten Hilfsmitteln verlieh sie dem Gesicht Struktur. Als der „Gähner“ fertig war, umhüllte sie ihn mit Gips und erhielt zwei Formen zum Ausgießen. Der eigentliche Kopf entstand aus Hatovit, einem Hartgummi, das oft bei Bühnenbildern verwendet wird. „Im Moment, wenn man den Kopf aus der Gipsform nimmt, geht einem schon die Muffe“, sagt Weitzel. Doch das Experiment gelang.

Im Alltag eines Bühnenplastikers sind solche feinen, kleinteiligen Formen eher die Ausnahme. Was auf der Bühne wirken soll, muss in der Regel groß sein, so wie der Fuß des Riesen in „Prinz Rama“, an dem Franziska Weitzel mitgearbeitet hat, oder die fast sechs Meter hohe antike Säule aus „King Lear“.

Den „Gähner“ hat die junge Frau bislang zweimal gegossen: für einen Kollegen, der eine Lampe in den offenen Mund montiert hat, und für sich selbst. In ihrer Wohnung steht der Charakterkopf im Flur und trägt eine Melone auf dem Kopf: „So staubt er wenigstens nicht ein.“

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