Geschichte „Westerbork war das einzige KZ, in dem keiner Hunger hatte“

Krefeld · Zeitzeugin Eva Weyl erzählte Schülern von einer Scheinwelt, die die Nationalsozialisten in den Niederlanden erschaffen hatten.

 Eva Weyl, KZ-Überlebende der NS-Diktatur, berichtet in der Montessori-Gesamtschule am Minkweg von ihren Erfahrungen.

Eva Weyl, KZ-Überlebende der NS-Diktatur, berichtet in der Montessori-Gesamtschule am Minkweg von ihren Erfahrungen.

Foto: Bischof, Andreas (abi)

Eva Weyl war sechs Jahre alt als sie in das Konzentrationslager (KZ) Westerbork in den Niederlanden musste. Sie hat überlebt und wohnt heute, mit 83 Jahren, in Amsterdam. Dort kam sie an, als man sie und ihre Mitgefangenen aus dem KZ Westerbork befreite. Weyl besucht Schulen, um ihre Geschichte zu erzählen. Am Mittwoch, 29. Mai, war sie zu Gast an der Bischöflichen Maria-Montessori-Gesamtschule.

Das KZ Westerbork, dass Weyl als Überlebende wieder verlassen konnte, war auch für Anne Frank eine Zwischenstation auf dem Weg nach Bergen-Belsen. Es sei das einzige, in dem für die Juden eine Scheinwelt kreiert wurde. Die Juden arbeiteten in Fabriken, hatten ein Krankenhaus und die Kinder gingen zur Schule. Keiner von ihnen habe geahnt, was  bei der Weiterdeportierung passieren würde. Zwar drangen immer wieder Gerüchte durch, „doch niemand konnte sich dieses unvorstellbare Grauen vorstellen. Keiner von uns glaubte daran“, erzählt Weyl. „Westerbork war das einzige KZ, in dem keiner Hunger hatte, weil wir drei Mahlzeiten am Tag erhielten.“

Ohne Mühe konnte der Leiter des Lagers, Albert Konrad Gemmeker, die Juden demnach in den Osten deportieren, wo sie schließlich ermordet wurden. Weyl sagte, dass sie damals nie verstand, was eigentlich passierte. Mit zehn Jahren wurde sie aus dem KZ befreit.

Als die Familie Weyl in das Konzentrationslager beordert wurde, war klar, dass sie Schmuck und Wertgegenstände nicht würden mitnehmen können. Doch die Mutter von Eva Weyl hatte eine Idee. Sie nahm die Knöpfe vom Mäntelchen ihrer Tochter ab und nähte selbst neue. In den Stoff bettete sie jeweils einen Diamanten und legte Stoffbahn um Stoffbahn darüber.

Als man die Tochter später kontrollierte, durchsuchte man alles, nur nicht die Knöpfe an ihrem Mantel. Später, als der Krieg vorbei war, fertigte die Mutter sich einen Ring daraus. An Eva Weyls 60. Geburtstag übergab ihre Mutter ihr den Ring, zusammen mit seiner Geschichte. „Ich will, dass etwas kleben bleibt von dem, was ich euch erzähle“, erklärt sie den Schülern. Es sei wichtig, auch heute noch über die Geschehnisse im Zweiten Weltkrieg zu reden: „Ihr seid nicht für das verantwortlich, was in Deutschland geschehen ist, aber ihr seid verantwortlich für die Zukunft.“

Die Veranstaltung ist einigen nahe gegangen: „Es ist etwas anderes, wenn eine Überlebende von dieser Zeit erzählt. Es sind andere Geschichten“, sagt ein Schüler.

In einer Fragerunde wollen die Schüler wissen, wie Weyl bestimmte Ereignisse wahrgenommen hat. So beispielsweise, wie sie in ihrem Alter mitbekommen hatte, dass die Alliierten kamen. Die Schüler der neunten und zwölften Klassen verfolgten die Erzählungen gespannt. Getuschel rief vor allem die Information hervor, dass Weyl mit der Tochter des Lagerleiters Gemmerke befreundet ist und zusammen mit der Enkelin Vorträge hält.

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