Schülerstreik für besseren Klimaschutz Fridays for Future in Düsseldorf - Festivalstimmung wegen Zukunftssorgen

Düsseldorf · 6000 Menschen zogen am Freitag für die Zukunft durch Düsseldorfs Innenstadt. Mit Spaß und Ausgelassenheit begegenen die Jungen dem Ernst der Lage. Und es sind längst nicht mehr nur die Schüler, die in den Klimastreik treten.

Schüler, Eltern und viele andere demonstrierten am Freitag für den Klimaschutz.

Schüler, Eltern und viele andere demonstrierten am Freitag für den Klimaschutz.

Foto: Fatima Krumm

Annik und Julia sind extra aus Essen angereist. Statt in Mathe, Englisch und Deutsch zu sitzen, stehen sie um 10.30 Uhr schon auf dem Maxplatz in Düsseldorf. Mit selbstgebastelten Schildern und Rucksack sind sie für ihre sechste Demo ausgestattet.

Doch es sind längst nicht mehr nur Schüler, die sich zum globalen Klimastreik verabredet haben. Es sind alle gekommen: Es sind die parents (Eltern) und grandparents (Großeltern), die students (Studenten) und scientists (Wissenschaftler), die alle for future, für die Zukunft, demonstrieren. Gitte Schiefer hält ein Bettlaken mit der Aufschrift „Kinderlose für eure Zukunft“. Sie fühlt mit den jungen Leuten mit. „Ich spüre deren Verzweiflung, deshalb zeigen wir uns solidarisch, auch wenn ich nicht mehr die Jüngste bin“, erklärt die 54-Jährige ihr Engagement.

Umdenken muss in der ganzen Gesellschaft stattfinden

 Jan Hülsewiesche (18) aus Düsseldorf  und Annik (14) und Julia (14) aus Essen streikten für eine bessere Klimapolitik.

Jan Hülsewiesche (18) aus Düsseldorf und Annik (14) und Julia (14) aus Essen streikten für eine bessere Klimapolitik.

Foto: Fatima Krumm

So vielfältig die Teilnehmer sind, so geeint sind sie in ihren Zielen: „Wir müssen die Klimakatstrophe aufhalten, und zwar jetzt“, fasst Jan Hülsewiesche zusammen. Der 18-Jährige fordert Steuern auf Kerosin und sämtliche Emissionen. Einen Führerschein will er trotz Volljährigkeit nicht machen. „Wir haben nur den einen Urwald“, sagt Annik, „ der muss erhalten bleiben!“ Die 14-Jährige leistet ihren eigenen Beitrag zur Klimarettung. „Ich bin seit einem Jahr Vegetarierin“ erzählt die Gymnasiastin. Doch die individuellen Ebene reicht ihnen nicht. „Es muss in der ganzen Gesellschaft ein Umdenken stattfinden, die Politik soll Wissenschaftler endlich ernst nehmen!“, fordern die Schülerinnen.

Neben den Schildern gegen Kohlestrom und Sprüchen wie „Das Klima ist aussichtsloser als mein Mathe-Abi“, tragen die Demonstranten auch Refugees-welcome-Shirts und Flaggen für queere Liebe und recken Schilder gegen das Patriarchat über die Köpfe. Alles Humane in einer Demo vereint. Ökos und Hemdenträger, Grundschüler und Abiturienten, Kinder in Buggies und Hunde in Fahrradkörben.

Mit seiner gesamten Klasse ist Tim Hüwe vom Leibniz-Montessori-Gymnasium zur Demo gekommen. „Wir haben in der Schule über den Klimawandel gesprochen“, sagt der Mathelehrer. „Wir wollen der Regierung zeigen, dass die Zukunft wichtiger ist als Bildung“, berichtet der Sechstklässler Joseph. Er und seine Klassenkameraden haben sich Gedanken gemacht, wie sie nachhaltiger leben können. „Wir kaufen im Unverpackt-Laden ein“, erzählt Lutz, Jolandas Familie verzichtet auf ein Auto.

Zu Elektrobeats des Songs  „One day“, der die Zeilen Martin Luther Kings „I have a dream“, wiedergibt, brüllen die Demonstranten ihre Sprüche hinaus.

„Aus technischer Sicht ist alles erreichbar“

Die erste Kundgebung mit Poetryslammerin und Wissenschaftler folgt auf dem Graf-Adolf-Platz. Auf der Bühne referiert Mario Adam, Professor für nachhaltige Energiesysteme und Energieeffizienz der Hochschule Düsseldorf, darüber, wie der Energieverbrauch reduziert werden könnte. „Die Technologien sind da. Man muss sie nur umsetzen.“ Tosender Applaus. „Jeder sollte seinen Lebensstandard hinterfragen“, mahnt Adam weiter. Tosender Applaus.Die Ziele der Klimastreikenden hält Adam keinesfalls für utopisch: „Aus technischer Sicht ist das alles erreichbar“, meint der Wissenschaftler.  Während vorne zugehört wird, üben jüngere Schüler abseits Radschlagen, drehen Insta-Videos, pausieren im Schatten, unterhalten sich freudig. Wut ist in den meisten Gesichtern nicht zu erkennen. Mit Spaß und Ausgelassenheit begegenen die Jungen dem Ernst der Lage. Das ganze hat Event-Charakter.

Annette Hüneke wartet mit ihrer Enkeltochter, bis der Demozug die Kö passiert hat. „Ich finde gut, dass die demonstrieren, aber sie sollten das am Nachmittag machen. Ich bin noch vom alten Schlag, da geht die Schule vor,“ meint die Dame. Währenddessen skandieren die Demoteilnehmer, „Leute, lasst das Glotzen sein, reiht euch in die Demo ein!“ Die Männer im adretten Anzug stehen am Geländer des Stadtgrabens. „Ja, wir finden das gut“, sagen sie, während sie mit Plastikgabeln Asiatisches aus Styroporpackungen essen. „Nein, nein, das machen sie nicht jeden Tag“, schieben sie entschuldigend hinterher.

Auf der Kö ziehen die Demo an Porsche und Range Rover und SUVs vorbei. „Tod den Konzernen“ schallt es durch die Straße. Bei einem Mc Laren können ein paar Jungs nicht anders. Fotoposen mit dem quietschgelben Wagen können sie nicht widerstehen. „Der ist schon heftig“ sagt einer der Schüler. Auf die Frage, ob sie so einen mal fahren wollten, nicken sie einstimmig, bevor sie sich wieder in den Demozug einreihen.

Zwei Minuten tot als Zeichen des Widerstands

Auf dem Corneliusplatz setzen die Demonstranten zum Die-In an. Wie tot liegen circa 6000 Leute zwei Minuten auf dem Boden. Bei der Hitze eine willkommene Pause. Tun doch vor allem den jüngsten Schülern bereits Beine und Füße weh. Andere sind erschöpft. „Wer nicht hüpft, der ist für Kohle“ grölt es durch die Lautsprecher zum Technobeat auf dem Weg zum Rheinpark. Dort wird mit Rappern die Party angestimmt. Festivalstimmung wegen Zukunftssorgen. Die Polizei spricht von 6000 Leuten, die Veranstalter schätzten 7000. Annik und Julia freuen sich, dass so viele gekommen sind. Dadurch fühlen sie sich bestärkt. „Als ich letztens von der Demo kam, habe ich zu Hause erst einmal Müll auf der Straße eingesammelt“ berichtet Annik. Vielleicht trete sie bald Greenpeace bei.

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